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Fußball: Ein Besuch bei den „Encarnados“


Als Béla Guttmann an einem Sommerabend des Jahres 1962 die Räumlichkeiten der Vereinsoberen des SL Benfica betritt, ist er zuversichtlich, seine erwünschte Gehaltserhöhung zu erhalten: Hatte er nicht gerade zum zweiten Mal in Folge den prestigeträchtigen Europapokal gewonnen? Mit 5:3 hatte Benfica Real Madrid, den Rivalen aus der spanischen Hauptstadt, geschlagen. Die Freude über den Erfolg war noch in ganz Portugal zu spüren. Doch Béla Guttmann wird bitter enttäuscht.

Nicht nur verweigert ihm der Präsident die Erhöhung des Salärs, die alten Herren an der Spitze zucken sogar nur mit den Schultern, als er seinen Rücktritt androht. Man habe ja den besten Spieler der Welt in seinen Reihen, Eusebio, wer braucht da schon einen Trainer wie Béla Guttmann. Erzürnt verlässt Guttmann das Büro, nicht ohne vorher einen Satz auszusprechen, den jeder Benfica-Fan bis heute kennt und fürchtet: „Nicht in hundert Jahren wird Benfica noch einmal den Europacup gewinnen!“

Soweit die Legende. Der Guttmann-Fluch verfolgt den portugiesischen Club seit nunmehr über 50 Jahren und tatsächlich konnte SL Benfica keinen einzigen Titel auf europäischer Bühne mehr gewinnen. Alle neun Finalteilnahmen wurden seither verloren.

Doch dieses Jahr solle alles anders werden, raunt mir mein Sitznachbar zu, diese Saison brechen wir den Fluch. Wir befinden uns im Estádio da Luz, der Heimspielstätte des Sport Lisboa e Benfica, kurz SL Benfica, und zwar am Abend des 16.02.2016. Es ist UEFA Champions League Spieltag und Benfica tritt gegen die aus Russland angereiste Mannschaft des FC Zenit St. Petersburg an. Der nun wieder nachdenklich aufs Spielfeld blickende Benfica-Fan zu meiner Linken heißt übrigens Pablo, und ihm verdanke ich den guten Sitzplatz.

Blick auf das Spielfeld
Estádio da Luz

Nur eine Stunde zuvor hatte ich beschlossen, mir das Spiel anzusehen. Ich hatte noch keine Karte gekauft und musste mich also vor dem Stadion noch beim Verkauf anstellen. In diesem Moment trat Pablo auf mich zu und bot mir ein Ticket an, welches einem Freund von ihm gehören würde. Dieser sei jedoch verhindert, ob ich die Karte nicht haben möchte. Der kleine Mann mit dem imposanten Schnurrbart war mir gleich sympathisch und außerdem war das Angebot günstig, so wechselte die Karte den Besitzer.

Eintrittskarte Estádio da Luz
Vor dem Estádio da Luz gab es noch Karten

Pablo stellte mich daraufhin der kleinen Fan-Gemeinde vor, die den weiten weg von Porto aus nach Lissabon gefahren war, um ihre „Encarnados“ (portugiesisch für „die Roten“, so wird die Mannschaft des SL Benfica auch genannt) live zu sehen. Neben seinem Sohn, Pablo Junior, waren noch drei weitere Männer gehobenen Alters Bestandteil der Gruppe, die sich nach allen Regeln der Kunst für den besonderen Abend vorbereitet hatten: Jacken, Mützen, Schals, ja sogar die Schuhe waren in den Vereinsfarben Rot und Weiß gehalten.

Auf dem Weg durch die Sicherheitskontrollen und zu unseren Plätzen wird gescherzt und gelacht, vor allem meine deutsche Herkunft bietet Gesprächsstoff. 7:1! Die Freude war groß, als Deutschland im WM-Halbfinale 2014 den „großen Bruder“ Brasilien besiegte. Portugal scheint ein gesondertes Verhältnis zum ehemaligen Kolonialgebiet zu haben, geprägt von tiefer Verbundenheit aber auch von Konkurrenz und Misstrauen. Ich hoffe während meines Aufenthaltes in Lissabon noch mehr darüber in Erfahrung bringen zu können.

Will Victoria nicht fliegen, verliert Benfica das Spiel

Als wir schließlich sitzen und ich einen Schluck vom lauwarmen Sagres-Bier zu mir nehme, macht mich Pablo Junior auf eine besondere Tradition aufmerksam: Der Adler ist nicht nur ein Symbol auf dem Wappen Benficas. Auch das Maskottchen ist ein Adler. Dieser fliegt als Ritual vor dem Anpfiff Runden durch das Stadion und landet auf einem großen Abbild des Vereinswappens, welches somit gewissermaßen „lebendig“ wird. Die Legende besagt, dass Benfica seine Heimspiele gewinnt, wenn der Adler mehr als zwei Runden fliegt. Setzt Victoria (so der Name des Maskottchens) hingegen schon nach dem ersten Umflug zur Landung an, so siegt das Gästeteam.

Der Adler fliegt ganze fünf Runden durch das Stadion – ein gutes Zeichen, heute gewinnen wir, sagt Pablo der Ältere und nickt mir zuversichtlich zu.

Das Spiel selbst ist dann eine doch eher zähe Angelegenheit. Es läuft bereits die Nachspielzeit, als Jonas der entscheidende Treffer gelingt. Nach einer Freistoßflanke vom rechten Spielfeldrand nickt der brasilianische Stürmer zum erlösenden 1:0 Endstand ein. Der Jubel ist ohrenbetäubend. Ich werde umarmt, gedrückt, geschubst. „O Alemão“, der Deutsche, so haben mich Pablo und seine Freunde getauft, inmitten einer frenetisch feiernden Benfica-Anhängerschar.

Bier und Fisch aus dem Kofferraum

Der Schlusspfiff geht im Gesang der Fans unter, welche die Vereinshymne angestimmt haben. Euphorisiert verlassen wir das Stadion. Pablo lädt mich ein, noch etwas mit ihnen trinken zu gehen. Auf dem Parkplatz teilen die gastfreundlichen Portugiesen dann mitgebrachtes Bier sowie eine üppige Brotzeit (bestehend aus Broten, Brathühnchen und einer Fischspeise) mit mir. Auch dies sei, so wird mir erklärt, eine alte Tradition nach den Spielen.

Als ich mich endlich von der Gruppe trenne, ist es bereits spät. Pablo reicht mir seine Hand und verabschiedet mich mit den Worten: „Warts ab Alemão, diesmal gewinnt Benfica die Champions League…so Guttmann will.“

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