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Nauryz: Mein kasachischster Tag in Kasachstan


Während im christlichen Kalender nach Karneval Ende Februar für sieben Wochen Ruhe einkehrt, reiht sich in Kasachstan im März ein Feiertag an den nächsten. Direkt nach Frauentag wurde in Almaty umdekoriert für das nächste Fest: Nauryz.

Was ist Nauryz?

Nauryz ist ein Frühlingsfest, das den Beginn des neuen Jahres nach dem Sonnenkalender markiert. Es wird in Kasachstan am 22. März gefeiert, dem Datum der Tag- und Nachtgleiche. Das Wort Nauryz bedeutet so viel wie neuer Tag. Seinen Ursprung hatte es vor über 3.000 Jahren im heutigen Iran und wird mittlerweile vom Balkan bis Zentralasien gefeiert. Mit dem Nauryz-Fest werden Hoffnungen verbunden, alles Alte und Schlechte hinter sich zu lassen und gut ins neue Jahr zu starten. Zu Sowjetzeiten durfte Nauryz in Kasachstan nicht öffentlich gefeiert werden. Seit 2001 ist es ein nationaler Feiertag und wird nicht mehr nur in den kasachischen Familien, sondern landesweit auf öffentlichen Plätzen mit Konzerten, Märkten und Feuerwerk begangen.

Familie treffen, essen und ausruhen: diesmal auch für mich

Egal ob zu Neujahr, am Tag des ersten Präsidenten oder zum Frauentag – wann immer ich meine Studis vor einem Feiertag frage, was sie vorhaben, ist ihre Antwort die gleiche: Familie treffen, viel essen, ausruhen. Bisher habe ich mangels kasachischer Verwandter immer nur letzteres getan, doch zu Nauryz kam ich nun in den Genuss des vollen Feiertagsprogramms.

Wenige Tage vor dem Fest wurden ich und mein Freund zum traditionellen Nauryz-Festessen zu einer kasachischen Familie eingeladen. Als wir ankamen, wurden wir zunächst von einer Horde Kinder neugierig beäugt. Anschließend im Haus gab ich schnell den Versuch auf, mir alle Namen der Familienmitglieder zu merken. Insgesamt waren 17 Kinder und Erwachsene an dem langen, niedrigen Tisch versammelt, auf dem bereits das Essen wartete. Neben der Großmutter Nesibeli und der Familie des jüngsten Sohnes, die mit im Haus wohnt, waren die anderen Söhne mit ihren Familien zu Gast, sowie eine der Schwiegermütter. Der Großvater konnte leider nicht am Nauryz-Festessen teilnehmen, weil er am anderen Ende des Landes (3.000 Kilometer entfernt) wohnt und arbeitet. Er wurde aber per Skype zugeschaltet und begrüßte uns auf diesem Wege in seinem Haus.

Doch nun zum Essen: Das traditionelle Nauryz-Gericht ist Nauryz Kozhe, eine milchige Suppe aus sieben Zutaten. Welche sieben das sind, variiert von Familie zu Familie. Meine Russischlehrerin meinte scherzhaft: In die Nauryz Kozhe kommt alles, was nach dem Winter noch übrig ist. Neben Wasser, Fleisch und Salz ist Kefir eine der Grundzutaten. Er verleiht der Suppe ihre milchige Konsistenz. Die verbleibenden Zutaten könnten Reis, Rosinen und irgendein Gemüse gewesen sein, ganz sicher bin ich aber nicht. Auf einen zweiten Teller verzichtete ich, denn ich brauchte noch Platz in meinem Magen für all die anderen Leckereien: hausgemachter Plov, Baursaki, Samsa, Salate und zum Nachtisch Tee mit Milch, Obst und Gebäck. Vieles davon hatte ich bereits im Restaurant probiert, doch hausgemacht waren diese Spezialitäten ein noch viel größerer Genuss.

Kasachische Tradition meets Pop-Musik: die Nauryz-Feier auf dem Alten Platz

Fünf Personen auf der Rückbank eines Autos
Wie viele Personen passen in ein Auto? Kasachische und deutsche Familien könnten hier bei ein und demselben Auto zu einem anderen Ergebnis kommen.

Nach dem Essen wurden wir eingeladen gemeinsam mit der Familie des ältesten Sohnes, das Nauryz-Fest im Stadtzentrum zu besuchen. Obwohl nach deutscher zählweise für mich und meinen Freund im Auto kein Platz war, wurden wir mitgenommen. Die Männer saßen vorn und ich teilte mir die Rückbank mit der Mutter und den drei Kindern. Nicht nur Anschnallen sondern auch die Verwendung von Kindersitzen scheint in Kasachstan unüblich zu sein. Durch das Geschnatter der Kinder vergingen die 20 Minuten Fahrt wie im Flug und alle sieben Insassen des Autos erreichten in bester Feiertagsstimmung den alten Platz, dessen offizieller Name übrigens Astana Platz ist.

In der Almatiner Innenstadt tummelten sich so viele Leute, wie an keinem anderen Tag meiner nun schon sieben Monate in Kasachstan. Von der Bühne vor dem Gebäude der Kasachisch-Britischen Universität dröhnte kasachische Popmusik und aus der Menge heraus ragten einige verkleidete Animateure auf Stelzen. Sie waren, neben den zahlreichen Falknern mit Greifvögeln auf dem Arm, ein beliebtes Selfi-Motiv. Am Rand des Platzes waren Jurten aufgebaut, in denen man sich über kasachische Traditionen und Kultur informieren und Souvenirs kaufen konnte. Besonders die Kinder waren begeistert von dem bunten Treiben und als sie erkannt hatten, dass ich von kasachischen Instrumenten, Greifvögeln und Jurten wenig Ahnung habe, wurden sie zu kleinen Tour-Guides, die mir jedes Detail genau erklärten und erst weitergingen, wenn ich auch ein Foto gemacht hatte.

Alles klar, außer beim Spiel Asyk

Mein Nauryz-Fest war definitiv ein Crashkurs in kasachischer Kultur und ein kulinarisches Highlight meiner Zeit hier. Nicht verstanden habe ich leider die Spielregeln des Spiels Asyk, was sowohl im Haus, wo wir zu Gast waren, als auch auf dem Alten Platz von Kindern gespielt wurde. Bei Asyk wird mit einem echten(!) Schafknochen gewürfelt und anschließend auf andere Schafknochen geworfen. Ähnlich wie bei Boccia muss man irgendwelche bereits liegenden Schafknochen aus dem Weg stoßen. Das Regelwerk hat sich mir, wie gesagt, leider nicht in Gänze erschlossen. Wer sich dafür interessiert, dem empfehle ich die App zum Spiel: Asyk ATU. Aber wahrscheinlich muss man in einer kasachischen Familie aufgewachsen sein, um dieses Spiel zu meistern, statt sich (wie ich) vor dem Knochen, der einst Teil des Kniegelenks eines Schafes war, zu ekeln.

Kommentare
  1. Theresa

    1. März 2021

    Liebe Barbara,
    herzlichen Dank für diesen schönen, ausführlichen Kommentar, bei dem ich gleich Fernweh bekomme nach Almaty und auch nach Marburg – spannend zu lesen, dass uns beide diese Städte berührt haben! Ich melde mich noch per E-Mail bei Ihnen und freue mich sehr, dass mein Blog uns in Kontakt gebracht hat! Liebe Grüße, Theresa

  2. Barbara Weichert

    23. Januar 2021

    Hallo Theresa,
    absolut durch Zufall bin ich über eines Ihrer Fotos, das bei der Suche nach Bildern zu „zu Tisch im Reich Gottes“ (Ja, ich bin Gemeindepfarrerin :-)) auf Ihren Bericht über Nauryz gestoßen und habe ihn fasziniert gelesen. Ich war 1980 mit 19 Jahren auch in Almaty, damals noch Alma Ata. Allerdings nur zwei halbe tage und eine Nacht – auf einer Anschlussreise nach den Olympischen Spielen in Moskau. Meine Mutter war auf die verwegene Idee gekommen, die Olympischen Spiele zu nutzen, weil man wohl, wie sie meinte und auch recht behielt, nie so relativ frei in Moskau (das sie bei einem Städtetrip begeisterthatte) sein könne wie zu dieser Gelegenheit, wo auch die Sowjetunion nicht jeden Schritt aller Gäste kontrollieren könne. So wurde das unsere Abschlussreise (im Blick auf das Zusammenwohnen) nach meinem Abitur. Erst war nur Moskau geplant, dann gab es über die „Bayerische Gesellschaft zur Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion e.V.“ Anschlussreisen bis nach Sibirien. Wir waren nciht reich. Meine Mutter war alleinerziehende Mutter von 3 Kindern und Verkäuferin in München (deshalb Olympiafan! 1972…) Wir haben 2,5 Jahre lang Kissen in Heimarbeit genäht, um das geld für diese Reise zu verdienen. Aber damals konnte auch keiner ahnen, dass der Eiserne Vorhang mal aufgehen würde und so nutzen wir die Chance, nach Samarkand, Buchara, Taschkent, Alma Ata, Irkutsk und Bratsk zu kommen. In Alma Ata hatte ich im Hotel ein Schlüsselerlebnis. Ich saß am späten Abend sehr lange im Foyer um den mut zu sammeln, an der Rezeption darum zu bitten, im Innenhof eine Rose für meine Mutter abschneiden zu dürfen, die ab Mitternacht Geburtstag hatte. Dabei schaute ich auf ein riesiges Steinrelief hinter der Rezeption, das die Sowjetunion darstellte. Alma Ata lag genau in der Mitte. Ich schute erst mal nach dem Baikalsee: Ganz schön weit weg! Dann suchte ich links nach Moskau. Wow! Auch ganz schon groß, die Entfernung! Wo sind wir eigentlich, Deutschland? Ganz am linken Rand war ein kleines Land gerade noch teilweise drauf. Ich ging nah heran und sah: das war Polen. Deutschland war gar nciht mehr drauf…. Da wurde mir richtig bewusst, was jeder sich denken kann, sich aber nur wenige klar machen (jedenfalls vor Trump!): Jedes Volk sieht sich selbst als Mittelpunkt der Welt! Mit dem gleichen Recht und Unrecht wie wir auch. Das war sehr heilsam mit 19 Jahren!
    Und das hat dieser eine Tag bewirkt. Was Sie in einem ganzen Jahr(?) dort für Ihr Leben und Ihr Weltbild gelernt haben mögen, kann ich nur vermuten, und ich freue mich einfach ganz riesig, dass junge Menschen huete solche Möglichkeiten haben. Nur so kann es mal friedlicher werden in der Welt. Wenn Menschen eintauchen in andere Lände rund Kulturen udn schlicht feststellen: überall auf der welt sind die meisten Menschen ganz normal und wollen nur ihr Leben schön leben und ihre Kinder groß kriegen. Die „Irren“ und die, vor denen man Angst haben muss, sind ernst zu nehmen, aber sie sind in der Minderheit. Sie können sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie mutig, wie vorausschauend es war, als Konrad Adenauer und Charles de Gaulle freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich angebahnt haben und es zu ersten Städteparttnerschaften und zum Schüleraustausch kam. Wer sich als junger Mensch kennengelernt hat, will nichit auf denanderen schießen – das war nach so vielen mörderischen Kriegen in Europa der Gedanke dahinte. Wenn wir das auch global schaffen, dann wird es doch irgendwann einmal dazu kommen, dass die meisten Menschen auf der Welt sich als Teil EINER Schicksalsgemeinschaft verstehen (der Prozentsatz der Irren wird bleiben, fürchte ich).
    Dass ich Sie mit diesen Gedanken belästige, liegt daran, dass ich auf Ihrem Profil dann auch noch las, dass Sie auch in Marburg studiert haben. Das habe ich auch – 1982-86. Schon arg lange her… Ich grüße Sie ganz herzlich und würde mich freuen, wenn Sie Lust hätten mir mitzuteilen, was Sie heute machen, wo Sie Ihre besonderen Kasachstan-Erfahrungen einbringen können. Gottes Segen begleite sie (der ist wie Globuli: wirkt auch, wenn man nicht dran glaubt… 😉 Zumindest schadet er nicht. )
    Herzliche Grüße
    Barbara Weichert

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