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Nepalesische Bevölkerungskunde für Anfänger


Nicht ohne Grund wird Nepal häufig als Minoritätenmosaik bezeichnet. Im Jahr 2001 wurden hier über 100 Ethnien und Kasten und 124 verschiedene Sprachen und Dialekte gezählt. Ich habe ein wenig recherchiert, um euch (und mir selbst) einen Überblick über die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Kasten im Land zu verschaffen.

Insgesamt leben in Nepal rund 29,7 Millionen Menschen. Circa 80 % der Nepali sind Hindus; die nächst größte Religion ist mit 9 % der Buddhismus. Muslime (4 %) und Christen (1,4 %) gibt es nur wenige. Über Nepals frühe Geschichte und die Herkunft einiger ethnischer Gruppen gibt es viele Unklarheiten und widersprüchliche Berichte. Grob lässt sich die Bevölkerung jedoch in zwei Gruppen einteilen: die Indonepalesen und die Tibetonepalesen. Zahlenmäßig überlegen sind die Indonepalesen (rund drei Viertel der Bevölkerung), deren Vorfahren im 12. Jahrhundert aus Indien eingewandert sind. Sie sprechen Nepali und bilden als Mitglieder der höchsten Kasten die oberste politische, religiöse und soziale Schicht des Landes. Zu den Tibetonepalesen (oder Altnepalesen) gehören die meisten Hochgebirgsstämme (Tamang, Gurung, Newar, Thakali, Rai, Magar, Limbu und Tharu). Sie machen rund ein Viertel der Bevölkerung aus und sind schon vor den Indonepalesen aus dem Norden (Tibet, Mongolei und China) nach Nepal gekommen. Über ihre genau Ankunft in Nepal gibt es keine eindeutigen Informationen. Ihre verschiedenen Sprachen gehören der tibetobirmanischen Sprachfamilie an.

Darüber hinaus leben in Nepal verschiedene tibetische Völker, hauptsächlich die Sherpas und die Bhotia. Zu ihnen gehören knapp 1 % der Nepalesen und sie bewohnen die nördlichen Täler im Hochhimalaya.

Wer lebt in Kathmandu?

Die Ureinwohner des Kathmandu-Tals sind die Newar, die inzwischen auch in den Basarorten der subtropischen Flusstäler leben. Sie zählen zu den Tibetonepalesen, ihre genaue Herkunft ist aber unbekannt. Newar haben eher dunkle Haut und sprechen einen tibetobirmanischen Dialekt namens „Newari“. Ihre Religion besteht aus Elementen des Buddhismus und des Hinduismus, je nach Stadt in unterschiedlichen Zusammensetzungen.

Fast alle Tempel und beeindruckende Monumente im Kathmandu-Tal, von denen sieben den Titel „UNESCO Weltkulturerbe“ tragen, wurden von den Newar erbaut. Traditionelle Newar Häuser zeichnen sich durch einen besonderen Stil aus: Sie bestehen aus kleinen Backsteinen, sind würfelförmig und besitzen aus Holz geschnitzte Fenster. Den typischen Newar-Baustil findet man heute noch auf den drei Durbar-Plätzen im Kathmandu Tal und in verschiedenen Dörfern.

Dorf, Häuser, Baustil
Typische Newar Häuser in Khokana.

Ein Bestandteil der Tradition der Newar ist die Verehrung der Kindsgöttin Kumari, über die ich schon in einem vorherigen Blogbeitrag berichtet habe. Von einer Arbeitskollegin habe ich zudem von einem weiteren ungewöhnlichen Ritual erfahren: Bei der sogenannten Bel-Hochzeit werden junge Newar Mädchen nach dem Einsetzen ihrer Periode symbolisch mit dem Bel-Baum verheiratet, der Fruchtbarkeit verkörpert. Außerdem haben die Newar ihr eigenes Kastensystem für die Einwohner der Kathmandu-Tals entwickelt, dass sich jedoch nicht durchgesetzt hat.

Leider fehlt mir der Platz, alle ethnischen Gruppen des Landes angemessen zu beschreiben. Daher werde ich nur zwei weitere Ethnien vorstellen, denen ich bereits begegnet bin: die Sherpa und die Gurung.

Zuhause in den Bergen

Die Sherpa sind eine der kleinsten Bevölkerungsstämme Nepals, aber trotzdem landesweit bekannt. Sie sind vor etwa 500 Jahren aus Osttibet in das heutige Solukhumbu und Helambu eingewandert und haben sich zu fleißigen Getreidebauern und Viehzüchtern entwickelt. Berühmt sind sie aber, weil sie von Beginn an die Expeditionen ins Himalaya geleitet haben. Inzwischen ist Sherpa eine inoffizielle Berufsbezeichnung für die Hochträger, die Touristen auf ihrem Aufstieg begleiten, ihnen den Weg zeigen und ihr Gepäck transportieren. Heute ist aber nicht mehr jeder Träger Teil des Sherpa Volks, und einige Sherpa entscheiden sich auch, in die Stadt zu ziehen und andere Wege einzuschlagen.

Während meines Ausflugs zum Annapurna Base Camp habe ich viele Träger und Guides getroffen. Die Lasten, die die Träger den Berg hoch schleppten, haben mich schockiert. Einige trugen über 30 Kilo auf ihrem Rücken, während ihre „Arbeitgeber“ ohne Gepäck vorher marschierten. Natürlich werden Träger für ihre Arbeit bezahlt, aber trotzdem hat mir das System nicht gefallen. Um mehr Geld zu verdienen, schleppen viele Träger mehr als gut für sie ist, was für die Gesundheit und besonders für den Rücken sehr schädlich sein kann.

Träger, Himalaya, Berge
Zwei Träger auf dem Annapurna Base Camp Trek.

Die Gurung leben in den Regionen um das Annapurna Massiv und sprechen ihre eigene tibetobirmanische Sprache. Sie wohnen in Höhen von über 1.500 Metern, wo sie Mais, Weizen, Hirse und Kartoffeln anbauen. Der Großteil des Volkes folgt der buddhistischen Religion, hat aber viele Traditionen aus dem Hinduismus übernommen. Bekannt sind die Gurung für ihre selbst gebauten Steintreppen, die die Begehung von steilen Wegabschnitten in den Bergen ermöglichen. Mir persönlich ist vor allem ihr süßes „Gurung Brot“, in Erinnerung geblieben, dass ich auf der Strecke zum Annapurna Base Camp häufig zum Frühstück gegessen habe. Das Brot besteht aus Mehl und Zucker und wird frittiert, bevor es mit Honig und Marmelade auf dem Teller landet – lecker!

Gurung Brot. Essen,
So sieht das typische Gurung Brot aus.
Steintreppe, Gurung, Berge
Eine Steintreppe der Gurung in den Bergen.

Für mich ist es noch immer nicht leicht, den Überblick über die verschiedenen ethnischen Gruppen zu behalten. Die zusätzliche Einteilung der nepalesischen Bevölkerung in Kasten macht das nicht unbedingt leichter…

Woher kommt das nepalesische Kastensystem und was bedeutet es?

Die nepalesische Gesellschaft ist stark vom hinduistischen Kastensystem aus Nordindien geprägt. Das liegt daran, dass während der Einwanderungsflut aus Indien im 12. Jahrhundert vor allem Angehörige der höchsten Kaste der Brahmin nach Nepal kamen (die Vorfahren der heutigen Indonepalesen). Sie verließen ihre Heimat, um die rituelle „Reinheit“ ihrer Kaste zu sichern. Aufgrund ihrer Kaste hielten sie sich für etwas Besseres und unterdrückten die Einheimischen. Dabei etablierten sie das Kastensystem auch in Nepal.

Mit dem Kastensystem wird die gesellschaftliche Position jedes Einzelnen schon bei seiner Geburt festgelegt. Woher die ursprüngliche Idee für ein solches System stammt, ist umstritten. In Nepal unterscheidet man zwischen vier Kasten. Die Brahmin (in Nepal auch Bahun genannt) bilden die höchste Kaste, die früher aus Priestern bestand. Heute befinden sich unter ihnen neben hauptberuflichen Priestern hochgestellte Regierungsbeamte und Akademiker. Dem hinduistischen Glauben nach entspringen die Brahmin dem Kopf des Schöpfers. Daher komme ihre hohe Bildung und Intelligenz.

Die nächste Kaste sind die Chhetri, die früheren Krieger. Sie stammen angeblich aus der Brust des Schöpfers und zeichnen sich durch ihr starkes Herz und ihren Mut aus. Zu den Chhetri gehört die Mehrheit der Nepali. Sie sind in der Gesellschaft angesehen und arbeiten in gut bezahlten Jobs.

Auf die „reinen Kasten“ der Brahmin und die Chhetri folgen die beiden „unreinen Kasten“, die Vaishya und die Sudra oder Dalit. Die Vaishya sollen aus den Schenkeln des Schöpfers kommen. Traditionell arbeiten sie als Händler, heute häufig als Bauern. Die unterste Kaste der Sudra entspringt dem Glauben nach, aus den Füßen des Schöpfers und wird auch die Kaste der „Unberührbaren“ genannt. Traditionell zählen Schmiede, Lederarbeiter, Schneider und Töpfer zur Kaste der Dalit. Sie haben in der Regel keinen Zugang zu Bildung und sind gesellschaftlich schlecht gestellt.

Leben in Kasten – auch im Jahr 2019?

Offiziell ist das Kastensystem in Nepal abgeschafft: Mit dem New National Code im Jahr 1963 wurde das Kastensystem wegen Diskriminierung verboten. Aber auch ohne die rechtliche Gültigkeit des Kastensystems ist seine gesellschaftliche Macht weiter erkennbar. Noch immer gehören fast alle wichtigen Politiker den hohen Kasten der Brahmin und Chhetri an. Dem versucht die nepalesische Regierung mit einem Quotensystem entgegenzuwirken. Mein Mentor erzählte mir, dass Angehörige der niedrigen Kasten (und auch Frauen!) auf den Wahllisten der nepalesischen Parteien in gewissen Anteilen vertreten sein und dass politische Positionen jeder Art nach dem Quotensystem besetzt werden müssen. Ziel ist es, in der politischen Exekutive des Landes alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zu repräsentieren.

Im Alltag ist das Kastensystem an verschiedenen Stellen jedoch noch präsent. So wird mir zum Beispiel beim Kennenlernen neuer Leute häufig auch ihre Kaste genannt. Auch bei der Partnerwahl kann die Kastenzugehörigkeit in Teilen der Bevölkerung ein Hindernis sein. Während Ehen zwischen Mitgliedern der beiden hohen Kasten inzwischen normal sind, entstehen vor allem bei romantischen Beziehungen zwischen einem Brahmin oder Chhetri und einem Angehörigen der niederen Kasten häufiger Probleme, berichtet mir eine Freundin. Eine räumliche Trennung der Kasten oder die Einhaltung von „Reinheitsregeln“, die lange gültig waren, konnte ich jedoch nicht beobachten.

Insgesamt sagen mir meine Nepali Freunde, dass das Kastensystem nach und nach an Bedeutung verliert und sich viele soziale Bewegungen und Organisationen für die Gleichstellung aller Kasten einsetzen. Aber das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit eine so lange gefestigte Gesellschaftsstruktur zu verändern.

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