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Sieben Touristen und ein Haufen Kuhmist: Wandern im Quadisha Valley


Samstagmorgen 07:30 in Beirut: Die ganze Gruppe meines Kurses ‚Contemporary Eastern Churches‘ versammelt sich, um gemeinsam in Richtung Quadisha Valley zu fahren. Warum man dort unbedingt mal vorbeigeschaut haben muss?

Vater Escobar und sein kleines Reich

Eine Mauer, gut versteckt hinter Bäumen
Kloster von Hawqa

Erstaunlich schnell arbeiten wir uns durch den sonst dicht an dicht stehenden Beiruter Verkehr auf der Küstenstraße entlang in Richtung Norden und erreichen das Quadisha Valley nach ca. 2 ½ Stunden. Was für ein kleines, kleines Land der Libanon ist, nur halb so groß wie Hessen. Quadisha Valley, das ist eine lange Steinschlucht, gut 100 Kilometer nördlich von Beirut und 60 Kilometer südlich der syrischen Grenze. Quadisha Valley, das ist seit Jahrhunderten Rückzugsort der sogenannten Maroniten, der zahlenmäßig größten christlichen Konfession des Libanon.  Wir steigen aus und machen uns auf den Weg zu unserem ersten Stop, das Kloster von Hawqa. Vater Escobar, ursprünglich aus Kolumbien, lebt hier seit über zehn Jahren als sogenannter Eremit. Freundlich begrüßt er die Gäste, neben uns auch noch eine libanesische Familie. „Abu – könnt Ihr für meinen Sohn beten? Er hat es gerade nicht leicht. Abu – Ein Foto, bitte!“ In der kleinen Kapelle, die wir anschließend besuchen liegt der Altar voller kleiner und großer Zettel, auf denen die Gebetswünsche der Besucher verewigt sind. Escobar ist ein freundlicher Gastgeber, der verspricht, an die geliebten Menschen zu denken und ihnen ein Gebet zu widmen. Zeit dafür ist genug bei 14 Stunden Gebetszeit pro Tag, außerdem drei für die Arbeit im Garten, zwei für das Studium der Theologie und fünf Stunden Schlaf. Das ist Escobars ehrgeiziger Tagesrhythmus. Ob er mal mit Mönchen und Nonnen anderer Klöster in Kontakt komme, möchten wir wissen. An Weihnachten und an Ostern, erklärt der Eremit, da müsse er im nahegelegenen Kloster Gottesdienst feiern. Aber, so gibt er mit einem Zwinkern zu, wenn der Schnee zu hoch liegt und er aus seinem kleinen Kloster nicht ins Dorf kommt, dann mache ihn das auch nicht sehr traurig. „Ich habe hier doch alles was ich brauche!“, ruft er und zeigt um sich herum. – Was für ein Leben – denke ich mir, so ganz abseits der Zivilisation. Gleichzeitig kommt Escobar seinen Besuchern ein bisschen vor, wie ein Touri-Eremit. Jeden Tag Pilgernde, ist da noch viel mit Einsamkeit? Unsere Dozentin Dr. Rima Nasrallah stellt jedoch klar, nicht immer ist der Mönch in Plauderlaune. Kommt man zu einer Zeit des Gebetes, der Meditation oder in seiner Studienzeit, kann es gut passieren, dass er sich aus der Kapelle nicht herausbewegt und den Besucher seinen heiligen Ort alleine erkunden lässt.

Mar Elisha

Kloster Mar Elisha an einem Hang
Kloster Mar Elisha

Weiter geht es auf einem schmalen Pfad das Valley entlang. Nächster Stop: Das Kloster Mar Elisha, inklusive einer kleinen Pause fürs Mittagessen. Sandwiches und Trinkpäckchen, ganz wie früher auf Klassenfahrt.
In der Kirche singen wir das sogenannte Trisagom, ein Lied der Maroniten, seit Jahrhunderten Teil ihrer Liturgie, das wir schon in der Klasse geübt haben. Allerdings nach 2 Stunden Unterricht und reichlich unkonzentriert, was sich jetzt bemerkbar macht. Sollte es einen Gott geben, ich hoffe er nimmt bei dem schrägen Gesang unseren guten Willen wahr, statt sich auf das Ergebnis zu konzentrieren.

Eingang zum Restaurant Greenland
Ein bisschen Herbst im Libanon

Weiter den Weg entlang wird der Pfad langsam breiter. Und siehe da – ich entdecke im Libanon doch noch so etwas wie ‚Herbst‘. Das Wetter ist hier in den Bergen tatsächlich so, dass man ab und an einen Pulli benötigt und die Restaurants sind schon winterfest gemacht.

Fast wie früher: Klassenfahrts-Gefühle im Qozhaya-Kloster

Sieben Studenten der Contemporary Klasse, darunter ich selber, haben sich entschieden noch eine weitere Nacht im Quadisha Valley zu bleiben, während sich die anderen schon in Richtung Beirut aufmachen. Nach einem letzten gemeinsamen Besuch im Kloster Quannoubine nimmt uns ein lokaler Taxifahrer mit in Richtung unserer nächtlichen Ruhestätte, dem Qozhaya Kloster.

Qozhaya-Kloster, an einem Felsen erbaut
Qozhaya-Kloster

Hier schlafen wir ganz nicht-Kloster-gemäß, nämlich Männer und Frauen gemischt, in einem achter Schlafsaal. Das Klassenfahrt-Feeling, es verstärkt sich. Eine der Aufgaben für meinen Contemporary Kurs ist es, drei Berichte über Gottesdienste zu verfassen und Ende des Semesters abzugeben. Ein maronitischer Gottesdienst ist dabei Pflicht. So setzen wir uns am nächsten Tag um neun Uhr in die klostereigene Kirche und schauen uns eine der sonntäglichen Messen an. Sonntag gibt es jeweils eine Messe um 07:30, um 09:00, um 10:00 und um 11:00, und damit mehr als genug Auswahl.

Kirche, in den Fels gebaut, mit Holzbänken
Kirche im Fels

Vieles, so fällt mir im Vergleich zu anderen Gottesdiensten auf, die wir mit dem Kurs bereits besucht haben, scheint mir hier wesentlich vertrauter, was wohl an der römisch-katholischen Ausrichtung der maronitischen Kirche liegt. Anderes ist mir wiederum fremd. Eine Eigenheit der Gottesdienste hier, die ich auch schon bei den Assyrern beobachtet habe, ist, dass die angegebene Uhrzeit eher einem ungefähren Richtwert als einer genauen Zeitangabe entspricht. Während ich bei Gottesdienstbesuchen in Deutschland das Gefühl habe, mir den gesammelten Zorn jedweder Gottheit zuzuziehen, wenn ich mich in den ersten zwei Minuten des Orgelvorspiels noch heimlich in den Kirchraum hineinschleiche, ist hier vor allem eines wichtig: Zur Eucharistie, ganz am Ende des Gottesdienstes, sollten sich alle eingefunden haben. Und sieh an – da wird auch wieder das Trisagom gesungen und ich summe heimlich mit und habe dabei das Gefühl, sogar ein bisschen besser geworden zu sein, im Vergleich zu gestern.

Kuhmist und Co: Ein neuer Wandertag

Nach dem Gottesdienst heißt es Rucksäcke an und auf zu einem weiteren Wandergang ins Dorf Fradiss, bevor wir uns von da aus in Richtung Hauptstraße aufmachen, die uns zurück nach Beirut bringt. Fradiss ist nicht besonders weit entfernt vom Kloster und nach nur einer Stunde sind wir angekommen.

Bewaldeter Hügel im Libanon
Wandern ohne Weg

Statt einer geteerten Straße, die wir auch in Richtung Hauptstraße nehmen könnten, denken wir uns: Hauptstraßen sind was für Anfänger, stattdessen hätten wir lieber einen kleinen Waldweg, der uns ebenso unser Ziel erreichen lässt. Genau so einer ist auf unserer Karte eingezeichnet, wir müssen nur einmal den Fluss überqueren. Ein ‚Weg‘ grob in Richtung Fluss führt uns direkt durch die dorfeigene Müllhalde. Hier sind wir wohl falsch, also zurück, erneut durch die Müllhalde, die hier eine eigenartige Mischung aus Plastik und Unmengen an Kuhmist darstellt.

‚Wo wir denn hinwollten?‘ Fragt uns einer der Bewohner, der unsere Ratlosigkeit bemerkt und mit uns ins Gespräch kommt. Nachdem wir, in halbwegs ordentlichem französisch, unseren Plan dargelegt haben, zeigt er uns eifrig, wo die geteerte Straße in Richtung Hauptstraße ist. Die Straße, erklären wir weiter, wollten wir aber gerade nicht nehmen, was unserem Gegenüber, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, absolut nicht verständlich erscheint. Trotzdem weist er uns den richtigen Weg in Richtung Fluss, den wir überqueren müssen, um dem eingezeichneten Pfad zu folgen. Wir hätten es nicht gedacht, es geht tatsächlich durch die Müllhalde und von da aus runter zum Fluss, durch den Fluss, steil bergauf, einen Felsen hinauf… Nur, ist hier leider immer noch kein Weg. Also Felsen wieder hinab, runter zum Fluss, durch den Fluss, hinauf auf der anderen Seite und da ist sie wieder: die vertraute Müllhalde, durch die wir uns erneut kämpfen, voller Konzentration von Stein zu Stein hüpfend, möglichst ohne zu viel im Mist zu stehen und gleichzeitig nicht abzurutschen und am Ende noch vollständig in selbigem zu landen.

Reisegruppe mit verzogenen Gesichertn
Und ab durch die Müllhalde!

So wurde es am Ende dann doch die geteerte Alternative, die wir angesichts des hinter uns liegenden Abenteuers fröhlich entlang marschieren, die uns zuverlässig in Richtung Hauptstraße bringt und uns einen Bus finden lässt, der sogar direkt nach Beirut fährt.

Mission, finally, geglückt! Und allen Libanon Reisenden sei an dieser Stelle ein Besuch im Qadisha Valley mit Escobar und vielleicht sogar mit einem kleinen Gang durch den Kuhmist sehr ans Herz gelegt.

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