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War das schon alles?

Nach etwas mehr als fünf Monaten neigt sich meine Zeit in der nordjapanischen Provinz nun allmählich dem Ende und bereits seit einigen Wochen beschäftigt mich eine Frage, die ich vermehrt Freunden und Verwandten aus der Heimat beantworten muss: „Wie geht’s denn nun eigentlich weiter Philipp?“

Vier Monate sind erstmal grundsätzlich keine allzu lange Zeit, aber wie kurz sie wirklich sein können, fiel mir dann erstmals im Auslandssemester auf.
Nachdem ich mich kaum halbwegs integriert und eingelebt habe, hieß es nun: Schon wieder Sachen packen und Heimflug buchen. Oder etwa doch nicht? Spannende Frage die gut durchdacht sein sollte. Dahingehend möchte ich nun einmal resümieren und meine Gedanken teilen.

Geht es von hier aus wieder zurück nach Deutschland? Der Akita Airport gilt als einer der Kleinsten in ganz Japan.

Nicht den Kopf verloren

Die ersten Wochen im Ausland sind wohl immer ziemlich furios. Man lernt neue Leute kennen, muss sich möglichst schnell einleben und hat kaum Zeit zum Durchatmen. Ich hatte nie Probleme mich einzuleben, jedoch habe ich mir vieles etwas anders und vor allem einfacher vorgestellt. Mit der Erwartungshaltung viele Studenten unterschiedlichster Nationen kennenzulernen bezog ich mein Studentenwohnheim, in dem ich schließlich der einzige Europäer neben überwiegend chinesischen Studenten sein sollte, die kaum Englisch sprachen und mich nur schwer in ihre Bubble ließen. Generell fühlte ich mich an der Uni wie ein kleiner Exot, einer der wenigen Weißen, einer den sich viele nicht trauen anzusprechen und eben einer, der das Heft des Handelns damit selbst in die Hand nehmen muss.

Standortnachteile

Die Akita University hat viel Ähnlichkeit zu meiner Heimuniversität in Freiberg. Die Stadt ist ähnlich beschaulich und verschlafen, die Studentenzahl eher gering und die Auswahl der Aktivitäten begrenzt. Mein erster Versuch mich einer Sportmannschaft anzuschließen ging schief, meine E-Mails wurden gänzlich ignoriert und im persönlichen Gespräch wurde ich schnell abgewimmelt.

Beim Akita University FC darf ich vier mal die Woche mittrainieren und schaue mir meist auch die Spiele am Wochenende als „Co-Trainer“ an.

Ich sprach die Sprache zu Beginn kaum bis gar nicht und wollte nur für eine begrenzte Zeit im Land bleiben, das allein war für viele schon ein Grund zur Ablehnung. Später hab ich erfahren, dass es für Austauschstudenten grundsätzlich nicht gestattet ist einer Sportmannschaft als aktives Mitglied beizutreten. Das habe ich mir im Vorfeld natürlich etwas anders vorgestellt, ich wollte auch hier ganz offiziell Vereinssport betreiben und war etwas enttäuscht, dass es mir nicht gestattet wurde.
Nach etwa zwei Monaten wurde es mir dann doch gestattet bei der offiziellen Universitätsmannschaft mitzumachen, wenn auch nur im Training.

Unterstützung vom Staat? Dürftig.

Ein Aspekt der mich lange beschäftigt hat, war die Finanzierung. Klar werde ich jetzt auf wenig Mitleid stoßen, da ich trotzdem viel gereist bin und nie ernsthaft Probleme hatte, jedoch war meine Lage alles andere als optimal.

Japanischer Yen
Der japanische Yen ist aktuell sehr schwach und nur etwa 61 Cent wert. Sehr zur Freude von mir.


Zum 30. Oktober 2023, lange bevor ich eine Zusage aus Akita bekam, beantragte ich Auslands-BAföG beim Studentenwerk Tübingen-Hohenheim, welches für Auslandseinsätze in Japan zuständig ist. Die erste Reaktion erhielt ich am 4. April 2024, gut zwei Tage nach meiner Ankunft im japanischen Wohnheim. Meine E-Mail-Versuche wurden mit automatischen Antwort-E-Mails im Keim erstickt. Aufgrund der hohen Auslastung müsste ich mit einer Antwortdauer von sechs Monaten rechnen. Mir waren dementsprechend die Hände gebunden und meine Wut stieg.
Die Bestätigung kam letztlich dennoch, am 20. August, exakt zwei Wochen nach meiner letzten Prüfung in Akita und elf Tage bevor ich aus meinem Studentenwohnheim ausziehen sollte.

Klar hat die Nachzahlung geschmeckt, auch wenn sie erst am letzten Werktag im August überwiesen wurde. Trotz allem ist es ein Unding, wie sehr man eigentlich im Stich gelassen wird. Es fühlt sich so an als würde nur derjenige das BAföG erhalten, der wirklich drum bettelt und bis an sein Äußerstes geht. Ich hoffe das sich dabei etwas ändert und es mehr Unterstützung für Studenten gibt, denn es kann sich sicherlich jeder vorstellen wie unangenehm es werden kann, wenn man pleite in einem fremden Land sitzt und nicht weiß wie lange man noch über die Runden kommt.

Ich bin mir auch bewusst, dass nicht jeder ein Anrecht auf eine BAföG-Unterstützung hat, aber die die es haben, sollten es auch einfacher erhalten, vor allem wenn man sich so frühzeitig darum kümmert, wie ich das getan habe.

Der lang ersehnte Traum

Als ich mich vor einigen Jahren dazu entschieden habe, ein Studium in Freiberg zu beginnen, wusste ich längst, zu welchen Universitäten im Ausland eine Partnerschaft besteht. Für mich war ein mögliches Auslandssemester einer der Hauptgründe für ein Studium. Ich habe meine Freunde immer dafür beneidet und wollte auch diese einmalige Erfahrung machen, denn vermutlich bietet sich nie wieder eine so günstige Möglichkeit, ein Land über einen so langen Zeitraum kennenzulernen.


Häufig nehmen wir uns Dinge vor, von denen wir lange träumen, die dann jedoch beim Erreichen gar nicht so fantastisch wirken, wie wir uns das lange erträumt haben. Im meinem Fall war es genauso wie erhofft und darüber bin ich extrem glücklich. Es gab sicherlich eine oder auch zwei Wochen, an denen nicht alles rund lief, ich mich überfordert und einsam gefühlt habe oder ich auch gestresst war mit meiner Rolle als Correspondent. Jedoch überwogen viel mehr die Tage, an denen ich grinsend durch die Straßen lief und gar nicht fassen konnte, nun wirklich 12.000 Kilometer entfernt von zu Hause zu leben.

Auch habe ich mich in schöner Regelmäßigkeit dabei erwischt, wie ich in den alltäglichsten Situationen Gänsehaut bekommen habe, allein bei dem Gedanken, dass ich gerade in Japan leben und all diese tollen Erfahrungen machen darf. Es ist für mich ein absolutes Privileg und hoffe, das auch über meine Correspondententätigkeit genauso ausdrücken zu können. Ich kann es dementsprechend auch jedem ans Herz legen, einmal diese Erfahrung zu machen.

Kaum da, schon wieder weg

Nach zwei Monaten fühlte mich erstmals so richtig eingelebt. Ich hatte meine Routinen, einen kleinen Freundeskreis und durfte mit meinen Jungs vier mal die Woche Fußball spielen. Genau in dieser Phase musste ich mich plötzlich wieder mit meinem Auszug beschäftigen, da es ja nur noch zwei Monate bis zum Semesterende waren. Das überrumpelte mich komplett. Ich war kaum da und sollte mir schon drüber Gedanken machen, wie ich am günstigsten weg komme. Ich hatte die ein oder andere Überlegung, blieb aber immer wieder an dem Punkt, dass ich einfach noch nicht fertig war oder bereit war zurück zu kehren.

Und genauso ist es noch immer. Ich habe seit Jahren davon geträumt im Ausland zu leben, in eine neue Kultur einzutauchen, eine andere Sprache zu lernen und neue Ecken in der Welt zu sehen. Ich habe mich in all den harten Zeiten an der Uni in Freiberg an den Gedanken geklammert, bald ein tolles Semester im Ausland erleben zu dürfen und mich dafür einfach durchbeißen zu müssen. Das Alles soll nun nach fünf Monaten schon wieder vorbei sein? Ich denke nicht und ich will auch einfach (noch) nicht.

Aus diesem Grund habe ich mich nach reiflicher Überlegung dazu entschieden einen Antrag auf Verlängerung um ein weiteres Semester zu stellen. Ich werde Akita somit für weitere sechs Monate erhalten bleiben und euch ebenfalls. Denn im selben Atemzug hab ich auch meinen Vertrag als Correspondent bei Studieren Weltweit verlängert, vielen Dank für das Vertrauen an dieser Stelle.

Freude über meine Verlängerung
Meine spannenden Geschichten weiterhin verfolgen zu können, macht euch sicherlich genauso glücklich an wie mich.

Gute Aussichten

Während ich aktuell meine Semesterferien unter Palmen im Südpazifik verbringe mache ich mir Gedanken was im neuen Semester so ansteht. Ich habe von meinen anfänglichen Zielen zu Beginn nur eines noch nicht geschafft: Das Absolvieren eines Marathons. Das Ganze ist jedoch der Zeit geschuldet, Marathons finden in Japan eher im Herbst statt aufgrund der angenehmeren Temperaturen. Ich freue mich jetzt schon euch dann später darüber berichten zu können.

Bis bald
Philipp

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