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Drei Städte, vier verpasste Flüge und 75 Stunden Anreise


Hätte mir jemand vor meiner Abreise erzählt, was eine Odyssee (Vergleich nach Vater und Freund) mich erwartet, hätte ich wahrscheinlich kalte Füße bekommen und wäre gar nicht erst los gereist. Denn mit dieser Reise habe ich erst verstanden, was es heißt, auf sich alleine gestellt und fernab der Komfortzone zu sein.

Ich hatte alles bis ins kleinste Detail geplant. Alle Dokumente beisammen, pünktlich ausgefüllt, rechtzeitig abgeholt und vorbildlich ausgedruckt. Ich hatte für 18:20 Uhr einen Flug von Luxemburg nach Amsterdam gebucht. In Amsterdam sollte ich dann anderthalb Stunden Umsteigezeit haben, bis ich weiter nach Santiago de Chile fliegen kann. Und in Santiago de Chile sollte ich dann ebenfalls ein bisschen Zeit zum Umsteigen haben, bis ich von dort aus dann weiter nach Osorno zu meinem Zielort reisen würde. Nur Geplant. Nicht garantiert. Leider.

Wie Plan A schief ging: von Luxemburg nach Amsterdam

Ich bin am 27. Februar um 15 Uhr (nach deutscher Zeit) zum Flughafen in Luxemburg losgefahren. Nachdem sich mein Abschiedskommitee vor der Sicherheitskontrolle von mir verabschiedet hatte, machte ich mich auf den Weg und ging zum Gate. Am Gate sah ich ziemlich schnell auf der Anzeigetafel, dass mein Flug Verspätung hatte. Ich dachte an 20 bis 40 Minuten. Alles verkraftbare Verspätungen, trotz derer ich immer noch meinen Anschlussflug in Amsterdam erreichen würde. Als ich jedoch irgendwann auf der Anzeigetafel die Nachricht las, dass mein Flug voraussichtlich um 20 Uhr losfliegen würde, verstand ich, dass ich meinen Anschlussflug definitiv nicht mehr erreichen würde. Denn von Luxemburg nach Amsterdam betrug die Flugzeit 45 Minuten und mein Flug in Amsterdam sollte um 20:50 Uhr starten.

Flughafen Lux
Wenn ihr aktuell verreisen wollt, dann plant am Flughafen genug Zeit ein. Denn aufgrund von Corona müssen häufig mehr Dokumente kontrolliert werden und das beansprucht Zeit. Nicht nur in Luxemburg.

Schlussendlich landete meine verspätete Maschine erst um 21:10 Uhr in Amsterdam am Flughafen, sodass ich meinen Anschlussflug dicke verpasst habe. Noch während ich in der Maschine saß, gab eine Stewardess eine Ansage durch, in der sie die verpassten Anschlussflüge aller Passagiere aufzählte: „Warsaw misconnected, Zagreb misconnected, London Heathrow misconnected, Madrid misconnected, Hannover misconnected, Budapest misconnected, …“. Kurz: Gefühlt zählte sie alle europäischen Städte auf und in der Maschine saßen fast nur Passagiere, die ihre Anschlussflüge verpassten. Als ich den Flugmodus meines Handys ausschaltete, hatte ich schon eine SMS von KLM erhalten. Ich würde bereits auf einen neuen Flug am nächsten Tag nach GRU umgebucht. Mein erster Gedanke war sofort: Stop mal. Wo ist GRU? – und mein zweiter Gedanke: Ich will doch einfach nur nach Santiago, Leute.

„Dein Koffer folgt dir, wohin du auch gehst.“

Nachdem dann ungefähr alle Passagiere zum Transfer Service von KLM sprinteten, erhielten wir dort alle weiteren Informationen dazu, wie es weitergeht. Allen, die ihren Flug aufgrund der Verspätung verpasst hatten und für die für den Abend kein Anschlussflug mehr gefunden wurde, konnten eine Nacht im Hotel schlafen – so auch ich. KLM stellte sowohl den Transfer zum Hotel und die Verpflegung als auch eine neue Bordkarte für den nächsten Tag. Die Frau am Schalter versicherte mir außerdem, dass auf jeden Fall alles gut laufen würde, wenn ich über Sao Paolo (GRU) nach Santiago fliege. Denn ich hatte berechtigt ein bisschen viel Angst um den Verfall meines negativen Testergebnisses. Dieses durfte nämlich zum Zeitpunkt meines letzten Abflugortes vor der Einreise nach Chile nicht älter als 72 Stunden sein. Auch um meinen Koffer sollte ich mir keine Sorgen machen. „Der folgt dir, wohin du auch gehst“, hieß es. Jaja, das wird sich später noch anders zeigen.

Als ich in das Shuttle zum Hotel stieg, sah ich dort die altbekannten Gesichter aus der Maschine von LUX nach AMS. Obwohl ich sehr erschöpft und müde war, zauberte der Busfahrer mir ein kleines Lächeln ins Gesicht, als er mit seiner Kirmesstimme auf niederländisch durchsagte, dass das IBIS Hotel für alle Gestrandeten sei. „Wenn du also auch mit dem Flugzeug gestrandet bist, dann ist das dein Hotel!“, sagte er.

Und jetzt? Erst mal von Amsterdam nach Sao Paolo

Froh darüber, immerhin irgendwo angekommen zu sein, verbrachte ich dann eine Nacht im Hotel. Ich buchte noch bevor ich ins Bett ging, einen neuen Flug von Santiago nach Osorno gemeinsam mit meiner Mutter und berechnete dessen Abflugzeit mit den neuen Flugdaten. Denn den ursprünglichen Flug konnte ich ja jetzt nicht mehr erreichen. Jetzt müsste alles stimmen, dachte ich. Noch einmal in Sao Paolo umsteigen und dann bist du schon in Santiago, dachte ich. Das wird schon alles, dachte ich. Falsch gedacht.

Hotelzimmer
Das Foto, das ich an die anderen Correspondents geschickt habe. Damals dachte ich noch, dass es am nächsten Tag weiter geht und ich dann schnell da sein werde. Guter Gedanke, aber leider nicht wahr.

Aufgetankt mit neuer Energie fuhr ich am nächsten Morgen zum Flughafen. Alles verlief nach Plan. Ich nahm um 09:55 Uhr die Maschine nach Sao Paolo. Der Flug dauerte elf Stunden und 20 Minuten und ich kam etwa gegen 18 Uhr an. Erst mal schlug mir brennende Hitze entgegen. Ich hatte meine dicken schwarzen Schnürstiefel an, um ein bisschen Gewicht meines Aufgabegepäcks zu sparen.  Hätte ich aber früher gewusst, dass ich in Sao Paolo umsteige, hätte ich definitiv etwas anderes angezogen. Denn mit den 34 Grad dort, war ich definitiv zu warm angezogen. Ich schwitze mir wortwörtlich einen ab. Aber genug von den Details.

Von Sao Paolo nach Santiago? Leider nein!

In Sao Paolo hatte ich drei Stunden Zeit zum Umsteigen. Ich verbrachte die Zeit mit ein wenig Facetimen, denn meine Familie machte sich berechtigt ein bisschen Sorgen. Kurz vor Abflug wurden alle Passagiere darum gebeten, ihre notwendigen Dokumente vorzulegen. Die Personen am Gate wollten nämlich ziemlich viele Dokumente sehen, darunter eben auch einen negativen PCR-Test. Alle Dokumente hatte ich beisammen und es schien auch kein Problem zu geben, bis mein PCR-Ergebnis dann kontrolliert wurde. Zu alt. Genauer gesagt: Älter als 72 Stunden. Wie ich es bereits vermutete hatte. Da die Frau am Schalter kein Englisch sprach, versuchte ich verzweifelt mit DeepL, einem Übersetzer, meine aktuelle Situation zu erklären. Sie verstand mich leider nicht, sodass ich meine Mutter anrief und sie der Frau am Gate alles erklärte.

Meine Mutter hatte Spanisch studiert, sodass sie ihr die genauen Umstände darstellen konnte. Die Frau am Gate hatte vollstes Verständnis für meine Situation, jedoch konnte sie mich nicht in die Maschine steigen lassen, da mein PCR-Ergebnis einfach zu alt war. Sie nahm sich trotz allem die Zeit, um meiner Mutter eine Anleitung zu geben, was ich als Nächstes zu tun hatte. Sie schickte mich zur Gepäckausgabe und riet mir dann den Schalter von KLM aufzusuchen, damit sie sich um eine Bleibe und um neue Tickets kümmern würden. Bei der Gepäckausgabe sollte dann mein Koffer erscheinen. Ich wartete dort einige Zeit und fragte auch Personal um Hilfe, doch ich konnte mein Gepäck nicht finden. Ich ging durch die Sicherheitskontrolle raus und suchte einen Schalter von KLM auf. Keiner war offen bzw. besetzt. Auch das Airline Office war nicht besetzt. Ich konnte weit und breit am Flughafen keine Ansprechperson finden, die mir helfen konnte. Das Einzige, was mir immerzu begegnete, waren nicht Englisch sprechende Brasilianer:innen.

Danke Mama. Wenn ich dich nicht hätte…

Mit meiner Mutter und meiner Schwester am Telefon durchstreifte ich den Flughafen. Sie gaben mir immer wieder neue Ratschläge durch, doch ich war nicht erfolgreich. Beim Durchstreifen des Flughafens suchte ich schon nach Ecken, in denen ich die Nacht verbringen und schlafen könnte. Doch irgendwann fiel meiner Mutter ein, dass eine Freundin, die sie bereits seit der Kindheit kannte, in Sao Paolo wohnte. „Eventuell kann sie dir helfen“, sagte meine Mutter. Meine Schwester riet mir ebenfalls, schon mal eine Teststation am Flughafen in Sao Paolo zu suchen, damit ich im Falle einer Weiterreise immerhin schon mal ein passendes PCR-Ergebnis hätte. Ich tat, was meine Schwester mir riet und es war Gold wert. Nachdem ich an der Teststation fertig war, rief ich wieder meine Mutter an und da erhielt ich die Nachricht, dass die Freundin meiner Mutter, Miwako, mich am Flughafen abholen kommt und ich die Nacht bei ihr schlafen dürfte. Ich war so erleichtert und dankbar zugleich, dem kann dieser Blogbeitrag nicht annähernd gerecht werden.

Wer braucht schon Plan B, wenn es auch Plan C gibt?

Die Freundin meiner Mutter war etwa eine Stunde später da. Sie wohnt nämlich ein wenig entfernt vom Flughafen. Im Auto döste ich direkt ein und wachte erst wieder auf, als wir am Haus der Freundin meiner Mutter angekommen waren. Miwako zeigte sich superhilfsbereit und bot mir alles an, was ich brauchte. Ich ging duschen und danach ins Bett, denn der Tag war einfach nur anstrengend.

Sao Paolo
Die Aussischt vom Balkon von Miwako auf einen Teil Sao Paolos.

Das Finale: Plan C

Am nächsten Morgen wachte ich auf und musste direkt daran denken, nach einem Anschlussflug zu suchen. Ich versuchte KLM zu erreichen, blieb aber erfolglos. Gleichzeitig bat ich meine Familie ebenfalls ihr Glück zu versuchen. Alle riefen und kontaktierten die Fluggesellschaft auf ihrem eigenen Weg. Und siehe da, mein Vater hatte Erfolg. Er erreichte tatsächlich eine Person der Fluggesellschaft und ich erhielt per E-Mail ein neues Ticket. Um 21:50 Uhr ging ein Flug von Sao Paolo nach Santiago de Chile. Mein PCR-Ergebnis vom Vorabend hatte ich ebenfalls – negativ, zum Glück. Außerdem musste ich mich um einen neuen Flug von Santiago nach Osorno kümmern.

Denn den zuvor geplanten Flug konnte ich ja ebenfalls nicht mehr antreten, da ich nicht weiterreisen durfte. Ich buchte also noch mal einen neuen Flug nach Osorno und betete, dass wenigstens dieses Mal alles gut gehen würde. Die einzigen zwei Probleme waren jetzt nur noch, dass ich einerseits nicht wusste, wo mein Koffer war und andererseits irgendwie die Zeit in Santiago überbrücken musste, bis ich weiterflog nach Osorno. Aufgrund der neu gebuchten Flüge hatte ich knapp zehn Stunden Umsteigezeit und ich glaube, niemand würde die gerne nachts alleine zusammengeknüllt in einer Ecke am Flughafen verbringen. Meine Mutter riet mir, im Holiday Inn in Santiago am Flughafen zu übernachten und das tat ich.

Wenn dein Koffer dir eben nicht überall hin gefolgt ist!

Bezüglich meines Koffers fuhr ich gemeinsam mit der Freundin meiner Mutter frühzeitig vor Abflug zum Flughafen, um nach meinem Koffer zu suchen. Auch hier wurde ich wieder von A nach B zu C und wieder zu A hin zu F geschickt.  Letztendlich konnte mir das Airline Office von KLM weiterhelfen und den Koffer ausfindig machen. Entgegen der Behauptung der Frau am Transfer Desk in Amsterdam folgte mein Koffer mir nämlich nicht auf Schritt und Tritt. Er war am Vortag gemeinsam mit meinem verpassten Flug in Santiago angekommen. Die zuständigen Personen vor Ort würden sich jedoch darum kümmern, dass der Koffer rechtzeitig auf das Band gelegt werden würde, wenn alle Koffer aus der Maschine kommen, sodass ich mir keine Sorgen machen müsse, versicherte mir die Frau vom Airline Office in Sao Paolo. Danach checkte ich also ein, ging durch die Sicherheitskontrolle und bangte am Gate ein bisschen vor mich hin. Denn ich wollte dieses Mal einfach nur noch losfliegen. Alles sollte bitte wie geplant verlaufen. Und so war es auch. Die Frau vom Vortag war ebenfalls da und sie erkannte mich wieder. Sie gab mir das OK und ich durfte einsteigen.

Von Santiago nach Osorno

Ich kam um 01:15 Uhr in Santiago an. Aufgrund der Sicherheitskontrollen etc. war ich jedoch erst um 3 Uhr nachts im Hotel. Ich ging sofort ins Bett und stand  um 8 Uhr schon wieder auf. Denn mein Flug ging um 12:19 Uhr und ich wollte genug Zeit für’s Frühstücken, Fertigmachen und Einchecken einplanen. Ich verließ das Hotel gegen halb zehn und ging zum Check-in Schalter. Alles funktionierte wie ich es mir vorgestellt hatte, wenigstens einmal. Ich ging durch die Sicherheitskontrolle zum Gate und durfte ins Flugzeug schon wieder. Am 2. März gegen etwa 14 Uhr (18 Uhr in Deutschland) landete ich in Osorno und meine Gastmutter empfing mich am Flughafen. Etwa 75 Stunden befand ich mich auf der Odyssee, auch Anreise genannt, durch die ich drei verschiedene Städte, vier verpasste Flüge und eine Menge Probleme erlebte.

Ankunft in Osorno: Nur 48 Stunden später als geplant

Das Gefühl, als ich nach einer Reise, die scheinbar kein Ende zu nehmen schien, endlich ankam, ist mit das schönste Gefühl, das ich bisher erlebt habe. Denn ich zumindest blieb angespannt, bis ich wusste, dass die Reise jetzt endlich vorbei ist. Bis ich wusste, dass ich ankommen durfte. Außerdem hat mich diese Reise gelehrt, dass ich nie allein sein werde. Egal, wie alleine ich mich fühle. Egal, wie sehr ich glaube, auf mich allein gestellt zu sein. Am Ende ist man doch irgendwie von Menschen umgeben, die dir helfen und dir Kraft und Liebe schenken. In meinem Fall ist das meine Familie. Und dafür bin ich unendlich dankbar.

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