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Nachhaltigkeit in Estland: Schwieriger als gedacht?

Nachhaltigkeit ist für mich persönlich ein wichtiges Thema. In meinem Alltag zu Hause in Deutschland versuche ich zum Beispiel, Verpackungsmüll und Mikroplastik zu vermeiden, fahre kaum Auto sondern lieber Bus und Bahn, kaufe vieles gebraucht und esse wenig tierische Produkte. Dadurch habe ich das Gefühl, ein wenig beizutragen zum Klima- und Umweltschutz. In meinem Auslandssemester musste ich jedoch feststellen: Manche Dinge kann ich hier nicht so einfach umsetzen.

Starten wir direkt mit dem Offensichtlichen: Dem Fliegen. Fliegen ist die klimaschädlichste Art zu reisen. Trotzdem habe ich mich dafür entschieden, mit dem Flugzeug nach Estland zu kommen, vor allem aus Gründen der Bequemlichkeit. Alleine mit zwei schweren Koffern eine mehrtägige Reise mit Bussen, Bahnen und Fähren anzutreten, kam für mich nicht in Frage. Ich habe jedoch einige andere Erasmus-Studierende aus Deutschland kennengelernt, die das so gemacht, und auch geschafft haben.

Fliegen oder einfach gar nicht reisen?

Während des Aufenthalts in Estland habe ich mehrere Kurztrips unternommen – einen davon ebenfalls mit dem Flugzeug. Ich bin gemeinsam mit meiner Mitbewohnerin nach Oslo geflogen. Auch dort hätten wir theoretisch mit anderen Verkehrsmitteln hinreisen können, praktisch wäre das aber niemals in dem kurzen Zeitraum und mit unserem kleinen Budget möglich gewesen. Am Ende stand also die Abwägung: Entweder fliegen oder den Trip gar nicht machen und damit die tolle Stadt Oslo verpassen. Ich habe mich fürs Fliegen entschieden, wenn auch nicht ganz ohne schlechtes Gewissen.

Dagegen nutze ich im Alltag in Tartu, genauso wie in Deutschland, hauptsächlich Bus oder Zug, um von A nach B zu kommen. Die Busse fahren hier laut dem lokalen Verkehrsunternehmen sogar mit umweltfreundlichen Kraftstoffen. Ab und zu nehme ich mir ein Bolt-Taxi, zum Beispiel, wenn abends der letzte Bus schon weg ist. Selbst die ländlicheren Teile Estlands lassen sich deutlich besser, als ich vorher dachte, mit Bussen erkunden. Nur einmal habe ich mit Freund:innen ein Auto gemietet, um in einen Nationalpark zu fahren.

Müll trennen und vermeiden

Mülltrennung ist hier ein sehr ambivalentes Thema. Einerseits stehen in jedem öffentlichen Gebäude große Container mit mehreren Fächern für die verschiedenen Abfallarten. Das habe ich in Deutschland bisher eher selten gesehen. In meiner WG dagegen komme ich mit dem Trennen nicht weit. Es gibt zwar separate Container für Glas, Papier und Biomüll vor dem Haus, der Plastikmüll wird jedoch nirgends zum Recycling gesammelt. Rest- und Verpackungsmüll wandert daher leider gemeinsam in die Tonne.

Verpackungsmüll zu vermeiden ist für mich ebenfalls schwieriger als zu Hause. Die meisten Lebensmittel im Supermarkt sind in Plastik verpackt, einen Unverpackt-Laden gibt es nicht. Beim Obst und Gemüse kann ich je nach Supermarkt jedoch teilweise auf meine wieder verwendbaren Stoffnetze zurückgreifen, um lose Kartoffeln oder Äpfel einzupacken, anstatt die klassischen dünnen Plastiktüten zu benutzen.

Dinge gebraucht zu kaufen ist in Tartu dagegen sehr einfach. Es gibt viele verschiedene Secondhand- und Gebrauchtwarenläden. Darin finde ich nicht nur Kleidung, sondern auch Dekoartikel, Bücher, Haushaltswaren und sogar Möbelstücke zu sehr niedrigen Preisen. Gerade, weil ich für mein Auslandssemester kurzfristig Dinge brauchte, die ich zurück in Deutschland eher nicht mehr benötigen werde, etwa eine Schneehose, bietet es sich an, diese gebraucht zu kaufen. Das spart nicht nur Geld, sondern ist auch nachhaltiger.

Vegetarisch essen in Estland

Mit meiner vegetarischen Ernährungsweise bin ich in Estland auf etwas mehr Probleme gestoßen als in Deutschland. In klassischen Cafés und Restaurants werden in der Regel hauptsächlich Fleisch- und Fischgerichte angeboten, vegetarische Gerichte gibt es wenige. Studentische Cafés bieten etwas mehr Auswahl. In der Cafeteria der Unibibliothek, in der ich einige Male zu Mittag gegessen habe, war die vegetarische Option jedes Mal bereits ausverkauft, wenn ich dort angekommen bin. Mir blieben dann nur Kartoffeln mit Salat oder Brokkoli-Cremesuppe zur Auswahl.

schwarzer Teller mit einer Portion Mittagessen, Kartoffeln und Salat mit Sauce und Röstzwiebeln
Weil die vegetarische Option immer sofort ausverkauft war, habe ich in der Cafeteria der Unibibliothek meistens nur Kartoffeln und Salat gegessen.

In den Supermärkten in Tartu gibt es meiner Erfahrung nach eine kleine aber ausreichende Auswahl an vegetarischen und veganen Produkten. Hummus, Tofu, Hafermilch und vegetarisches Hack habe ich ohne Probleme gefunden. Fleischersatzprodukte werden jedoch insgesamt deutlich weniger angeboten als zu Hause in Deutschland, wo ich fast jede Art von Wurst, Käse oder Grillgut als vegane Alternative kaufen konnte. Dass ich darauf im Auslandssemester verzichten musste, war zwar schade, entsprach aber meiner Erwartung.

Kompromisse finden im Auslandssemester

Wichtig finde ich, sich vor einem Auslandssemester bewusst zu machen, dass gewisse Kompromisse immer notwendig sind. In den meisten Fällen wird es nicht möglich sein, alle Nachhaltigkeits-Entscheidungen genauso zu treffen wie zu Hause. Das heißt jedoch nicht, dass ihr gleich alle guten Ansätze über Bord werfen müsst. Ihr könnt die Müllsortierung in eurer Wohnsiedlung zwar nicht beeinflussen und in der Regel auch nicht den Stromanbieter selbst aussuchen, aber vielleicht könnt ihr dafür zum Beispiel Secondhand und mit eigenen Gemüsenetzen einkaufen gehen oder euch für vegetarische Gerichte entscheiden, wenn sie angeboten werden.

Das Auslandssemester ist eine sehr besondere und einmalige Zeit im Leben, aus der wir so viel wie möglich machen möchten. Manchmal kann diese Reise auch ziemlich überfordern, besonders am Anfang. Mein Tipp ist deswegen: Seid nicht so streng mit euch und überlegt euch vorher, bei welchen Themen ihr bereit seit, Gewohnheiten zu verändern, und bei welchen nicht.

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