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Die Koralle und ihre tausend engsten Freunde: Mein Masterforschungsprojekt in Saudi-Arabien

Korallenriffe werden seit Jahrzehnten erforscht, und trotzdem wissen wir erst ein Bruchteil von allem, was im Riff passiert. Mit einem Masterarbeitsprojekt trage einen kleinen Teil dazu bei, dieses Wissen zu erweitern. Im heutigen Beitrag versuche ich, so verständlich wie möglich zu erklären, was ich eigentlich mache. Kurz gesagt: Es geht darum, wie sich Korallen ernähren, mit welchen Kleinstlebewesen sie dafür zusammenarbeiten und was das für ihr Überleben in Zeiten des Klimawandels bedeutet.

“Der Zusammenhang von heterotropher Kapazität und Denitrifikation der Holobionten von 5 Korallenspezies des Roten Meers” – so ungefähr lautet der übersetzte Titel meines Forschungsprojekts. Und wenn du jetzt nur Bahnhof verstanden hast, keine Sorge. Mir ging es am Anfang genauso, und da hatte ich schon einen Bachelor in Biologie und ein halbes Masterstudium in Meeresbiologie hinter mir …

Eine Koralle im Sonnenlich

Korallen werden oft mit Pflanzen verwechselt, da sie so floral aussehen. Es sind aber Tiere, Kolonien aus winzig kleinen Polypen. Dieses Foto und viele weitere haben ich und eine Kollegin bei einem Tauchausflug geschossen, um die Korallen später mit Hilfe von Literatur zu bestimmen.

Korallen werden oft mit Pflanzen verwechselt, da sie so floral aussehen. Es sind aber Tiere, Kolonien aus winzig kleinen Polypen. Dieses Foto und viele weitere haben ich und eine Kollegin bei einem Tauchausflug geschossen, um die Korallen später mit Hilfe von Literatur zu bestimmen.

Fangen wir von hinten an: Rotes Meer. Das Rote Meer ist bekannt für seine Korallenriffe, es gibt besonders viele Korallenspezies hier. Damit ist das Rote Meer eine Schatzkiste für Korallenforscher. Allerdings leidet dieses Paradies mehr und mehr unter dem Klimawandel und anderen menschlichen Einflüssen. Wie genau das passiert und was die Folgen davon sind, erkläre ich später, zunächst möchte ich ein paar Grundbegriffe erläutern.

Kommen wir erst mal zu den Korallen selbst. Korallen sind Tiere, keine Pflanzen, aber sie haben Algen als Symbionten. Symbiose bedeutet, dass zwei Spezies eng zusammenleben, die beide einen Vorteil aus diesem Zusammenleben ziehen. Die Algen versorgen die Koralle mit Zucker, den sie durch Photosynthese gewinnen, die Korallen dagegen geben den Algen Stickstoff. Den Stickstoff bekommen die Korallen von kleinen Lebewesen im Wasser, (Zooplankton), den sie mit ihren Tentakeln fangen und dann verdauen. Je nach Spezies ernährt sich die Koralle mal mehr von den Zuckern oder von den Kleinstlebewesen. Viele Spezies können das auch anpassen, je nach Verfügbarkeit. Ähnlich wie wenn du im Supermarkt Schnitzel und Kartoffeln kaufen möchtest, aber es gibt nur winzige Schnitzel, aber kiloweise Kartoffeln. Manche Menschen nehmen dann mal wenig Schnitzel und viele Kartoffeln. Anderen bekommen vielleicht Kartoffeln nicht gut, deswegen essen sie weniger und bleiben hungrig. Und das wird in der Forschung “Heterotrophe Kapazität” genannt. Gar nicht so kompliziert, wie es klingt, oder?

Verzweigte und runde Korallenstücke in einem Wasserbad

Die verzweigte Koralle (Millepora) fängt gerne Zooplankton mit ihren Tentakeln, die runde (Pleuractis) betreibt viel Photosynthese.

Nicht nur die Algen leben in Symbiose mit den Korallen, sondern auch andere Bakterien und Mikroben. Dieser Verbund aus Mikroben und Koralle wird Holobiont genannt, es ist sozusagen ein Überbegriff für die Gesamteinheit, die aus vielen Tausenden und Millionen Individuen besteht, die aber wie ein Organismus funktioniert. Jede der Mikroben hat im Holobiont eine Aufgabe. Die Mikroben, die für meine Forschung relevant sind, verdauen einen Überschuss an Stickstoff und betreiben damit Denitrifikation. Obwohl die Algen, die mit der Koralle in Symbiose leben, Stickstoff brauchen (ähnlich wie Dünger an Land, der auch Stickstoff beinhaltet), gibt es ein „Zuviel des Guten“. Zu viel Stickstoff kann die Algen an der Photosynthese hindern oder sie sogar töten. Die Menschheit trägt viel zum Überfluss an Stickstoff bei, er kommt zum Beispiel aus der Massentierhaltung oder von Abwässern der Küstengroßstädte, aber auch von der Agrarwirtschaft. Deswegen wird vermutet, dass die denitrifizierenden Bakterien eine wichtige Rolle spielen könnten, wenn es darum geht, Korallenriffe zu erhalten. Genau weiß das aber noch niemand.

Ich erforsche hier, wie viel Stickstoff die Korallen mithilfe ihrer denitrifizierenden Mikroben verarbeiten und ob es einen Zusammenhang damit gibt, ob sie mehr von den Photosynthesezuckern lebt oder vom Zooplankton. Wenn eine Koralle nicht besonders auf ihre empfindlichen Algen angewiesen ist, kann ihr der Stickstoffgehalt im Wasser auch egal sein. Ich muss aber erst mal herausfinden, wie sich die Ernährung der fünf Korallenspezies, die ich erforsche, zusammensetzt. Dafür sind Isotope nützlich. Isotope sind Atome, die die gleiche Anzahl an Protonen haben, aber eine unterschiedliche Anzahl an Neutronen (Protonen und Neutronen sind Bausteine, aus denen der Atomkern besteht). Jedes Atom hat Isotope, die in der Natur in gewissen Ratios vorkommen. Um es einfach zu halten: Ich messe diese Ratios im Gewebe der Korallen und vergleiche sie mit denen in der Natur (also in unbelebter Materie). Je nachdem, wie dieser Ratio vom Natürlichen abweicht, kann ich dann Rückschlüsse auf die Ernährungsweise der Koralle ziehen. Das Ganze ist ziemlich aufwendig, ich muss Korallenstücke sammeln, das Gewebe ablösen, homogenisieren (beim Kochen würde ich pürieren sagen 🙂 ), nach Bestandteilen trennen, filtern, trocknen, mit Säure behandeln, noch ein Mal trocknen, mörsern, in winzige Metalltöpfchen verpacken und dann in ein weiteres Labor senden. Das ist in der Wissenschaft häufig so, ein einzelner Datenpunkt beinhaltet Stunden, wenn nicht Tage an Arbeit.

Dann messe ich noch den Stickstoffverbrauch und die Stickstoffproduktion (einige der Mikroben produzieren auch Stickstoff, denn wenn die Menschen nicht gerade ihre Abwässer ins Meer leiten, ist Stickstoff Mangelware). Die Produktion zu messen ist ebenfalls wichtig, damit ich den Verbrauch ins Verhältnis setzen kann. Für diese Messungen sammele ich mit meinen Kolleginnen, Claudia (macht hier ihren Doktor und wird die Experimente weiterführen, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin) und Vivian (schreibt ihre Bachelorarbeit über ein ähnliches Thema), wieder Korallenstücke. Diese Stücke werden mit Wasser und eine spezielle Chemikalie inkubiert, das heißt für eine bestimmte Zeit in einen geschlossenen Behälter gelegt. Die Chemikalie zwingt die stickstoffproduzierenden und -verbrauchenden Mikroben, gewisse Gase zu produzieren, von denen wir Proben nehmen. Die Gase analysiere ich dann. Je mehr Gas da ist, desto aktiver war die Mikrobe. Die Inkubation allein dauert 24 Stunden, aufgeteilt in 12 Stunden, in denen die Korallen im Dunklen sind und 12 Stunden, in denen sie Licht für die Photosynthese bekommen. Wir simulieren damit für die Mikroben und die Koralle selbst Tag und Nacht, denn je nach Lichtverhältnissen kann das Ergebnis schwanken. Meine Labortage sind also oft ziemlich lang.

Blau angestrahlte Wasserbäder

So sehen die Lichtinkubationen dann aus. Die Becken halten die Temperatur gleichmäßig, das Licht imitiert natürliches Sonnenlicht unter Wasser.

Nebenher messe ich auch noch alle möglichen Parameter, Wassertemperatur, Salzgehalt, Lichteinstrahlung, anorganische und organische Nährstoffe im Wasser, Chlorophyllgehalt (das ist der Farbstoff, der Algen und Pflanzen grün macht und es ihnen erlaubt, Photosynthese zu betreiben) und noch einiges mehr. Das ist sehr aufwendig, deswegen helfen mir ein paar Kolleginnen, die diese Daten auch gebrauchen können. Es ist wichtig, diese Daten zu sammeln, damit ich einen Überblick über eventuelle Einflüsse und Störfaktoren habe.

Eine blonde und eine gelockte Frau bedienen ein Mikroskop

Meine Kolleginnen Claudia (am Mikroskop), Vivian (rechter Bildrand) und ich (Fotografin 🙂 ) schauen uns die Algen, die Symbiose betreiben an. Sie sind winzig klein, daher brauen wir das Mikroskop, wenn wir sie sehen wollen!

Ich hoffe, dass du mir folgen konntest! Es ist kompliziert, aber wichtig, dass es erforscht wird. Denn nicht nur immer mehr von Menschen verursachter Stickstoff macht den Korallen Probleme, auch die steigenden Temperaturen werden ihnen immer gefährlicher. Vielleicht hast du schon mal etwas von der Korallenbleiche gehört? Wenn das eintritt, ist das Wasser zu heiß für die kleinen Algen, die mit der Koralle in Symbiose leben, und sie verlassen die Koralle. Da sie der Koralle auch ihre Farbe geben, wird diese ohne sie ganz weiß, sie bleicht. Die Koralle ist dann noch nicht tot, aber da sie mehr oder weniger auf die Photosynthesezucker angewiesen ist, wird sie verhungern, wenn die Wassertemperatur nicht sinkt und die Algen zurückkommen. Es gibt Grund zur Vermutung, dass die Korallen mit den richtigen Mikroben, zu denen die Denitrifizierer gehören, höhere Temperaturen aushalten, ohne zu bleichen.

Eine verwzeigte Korallenkolonie mit weißen Spitzen

Noch eines der Fotos gemacht auf einem meiner Tauchausflüge. Diese Koralle hat schon ein paar weiße Spitzen, das ist aber noch keine Korallenbleiche.

Wenn wir Menschen die Korallenriffe erhalten wollen, müssen wir mehr über sie herausfinden. Und das schafft nicht nur einer allein! Deswegen versuche ich mit meiner Masterarbeit einen winzigen kleinen Teil dazu beizutragen, in der Hoffnung, dass es hilft.

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