15. September 2024
Meine Zeit in Tansania, einschließlich meines Praktikums an der Bright Englisch Medium School, ist nun vorbei. Unglaublich wie schnell die letzten Wochen vergangen sind und wie viele Erfahrungen ich in dieser Zeit sammeln durfte. Doch haben die sechs Wochen wirklich gereicht, um meine Mission an der Schule in Loliondo zu erfüllen?
Was wäre ein Auslandsaufenthalt ohne die Herausforderungen, die mir ermöglichen, zu wachsen und mich weiterzuentwickeln? Richtig, es wäre einfach „nur Urlaub“. Auch wenn ich es schätze, mich im Urlaub zu erholen und es mir gut gehen zu lassen, lässt sich das nicht mal ansatzweise mit einem längeren Auslandsaufenthalt vergleichen. Ein Praktikum im Ausland stellt eine langfristige Investition in meine berufliche und persönliche Entwicklung dar und bietet damit einen erheblich größeren Mehrwert.
Weder Strom noch Wasser
Bereits in meiner zweiten Nacht erlebte ich den ersten Stromausfall. Da es hier früh dunkel wird und keine alternativen Lichtquellen vorhanden sind, bleibt oft nur die Möglichkeit, früh schlafen zu gehen. Der Strom ist in der Regel nach ein paar Stunden wieder da, doch es gab auch schon Phasen, in denen er mehrere Tage lang ausgefallen ist. Auch wenn es ärgerlich ist, das Handy nicht aufladen oder Unterrichtsmaterial nicht drucken zu können, ist das Fehlen von Wasser ein viel schwerwiegenderes Problem, vor allem für die Kinder und ihre Hygiene. Das Wasser wird durch elektrische Pumpen in die Leitungen gepumpt und bei einem Stromausfall bleiben diese Pumpen stehen. Dadurch kann kein Wasser mehr in die Tanks oder zu den Wasserhähnen transportiert werden, was die Wasserversorgung unterbricht. Die Bedeutung von Wasser für die Hygiene ist enorm und sollte nicht unterschätzt werden. Bis vor wenigen Monaten hatte die Schule leider überhaupt kein fließendes Wasser, was bei den Kindern oft zu Infektionen führte.
Sprachbarriere
Die offizielle Landessprache in Tansania ist Swahili. Da Englisch für die Kinder und Lehrer, genau wie für mich, keine Muttersprache ist, führt dies immer mal wieder zu Missverständnissen und Kommunikationsproblemen. Zu Beginn meines Praktikums fand ich es manchmal schwierig, den Unterrichtsinhalten und den Fragen der Schüler vollständig zu folgen. Teilweise wurden im Unterricht sowie in den Lehrbüchern Begriffe und Redewendungen verwendet, die ich, obwohl ich fließend Englisch spreche, nicht kannte. Um dieses Problem zu bewältigen, habe ich angefangen, einige Wörter in der Landessprache zu lernen.
Während meiner vorherigen Auslandsaufenthalte durfte ich lernen, dass Fremdsprachenkenntnisse nicht nur die Lösung einiger Probleme sind sondern ebenfalls als respektvolle Geste gelten und die Eintrittskarte in den einheimischen Alltag sind. Das Bemühen, auch nur einfache Begrüßungen und Höflichkeitsformen in Swahili zu verwenden, half mir, das Vertrauen der Schüler und Lehrer zu gewinnen und eine bessere Verbindung zu ihnen aufzubauen. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten hat mir die Sprachbarriere wertvolle Lektionen über Geduld und Anpassungsfähigkeit gelehrt. Sie hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, in einer internationalen Umgebung offen und flexibel zu sein. Diese Erfahrungen haben nicht nur meine Kommunikationsfähigkeiten verbessert, sondern auch mein Verständnis für die kulturellen Unterschiede und Herausforderungen in einem globalen Kontext vertieft.
Kulturelle Unterschiede
Das Leben und Unterrichten in Tansania bringt eine Vielzahl kultureller Unterschiede mit sich, die sowohl faszinierend als auch herausfordernd sein können. Diese Unterschiede prägen den Alltag und die Arbeitsweise an der Schule maßgeblich.
Bildungssystem
In Tansania unterscheidet sich das Bildungssystem sehr von dem in westlichen Ländern. Der Unterricht ist stärker auf die Theorie ausgerichtet und findet meist frontal statt. Es gibt weniger Raum für interaktive und praxisorientierte Lernmethoden. Diese Herangehensweise war anfangs ungewohnt für mich, insbesondere weil ich an einen aktiven, schülerzentrierten Unterricht gewöhnt bin. Zusätzlich stützt sich der Unterricht weitgehend auf die Schulbücher, auf denen die Nationalprüfungen des Landes Tansania basieren. Sobald man einen Satz umstellt oder andere Wörter verwendet als die im Buch, entstehen Unklarheiten.
Unterrichtsressourcen
Die Verfügbarkeit und Nutzung von Ressourcen ist leider auch sehr begrenzt. Oft fehlen moderne Lehrmittel und die Unterrichtsmaterialien sind häufig einfach und improvisiert. Dies kann die Unterrichtsgestaltung herausfordernder machen und erforderte Kreativität und Anpassungsfähigkeit meinerseits.
Andere Normen und Werte
In Tansania setzen die Menschen andere Prioritäten als beispielsweise Pünktlichkeit und Mülltrennung. Die Maasai bewahren tief verwurzelte Traditionen, von denen ich einige äußerst faszinierend finde, während andere gegen meine eigenen Normen und Werte sprechen. Wie weit soll ich bereit sein, verschiedene Praktiken zu akzeptieren, und wann ist es angemessen, meine eigene Meinung, vielleicht sogar ungefragt, zu äußern? Wie kann ich Wissen weitergeben und dabei den Respekt vor unterschiedlichen Kulturen bewahren?
Diese Fragen stellen sich nicht nur im Kontext persönlicher Überzeugungen, sondern fordern auch eine kontinuierliche Reflexion über das Gleichgewicht zwischen kultureller Sensibilität und individueller Wertvorstellung. Durch meine neugierige und offne Haltung gegenüber dieser für mich neuen Kultur habe ich zahlreiche Gelegenheiten erhalten, die Perspektiven und Werte der Einheimischen erklärt zu bekommen. Somit konnte ich versuchen, mich in die Lage der anderen hineinzuversetzen um ihre Sichtweise nachzuvollziehen. Grundsätzlich war es mir hierbei wichtig, die Perspektive anderer nicht zu verurteilen aber gleichzeitig auch meine eigenen Werte und Überzeugungen klar aber respektvoll ausdrücken zu können, wenn ich danach gefragt wurde.
Entwicklungszusammenarbeit
Meine Perspektive auf Entwicklungszusammenarbeit hat sich durch die Zusammenarbeit mit der lokalen NGO sowie durch zahlreiche Gespräche und Diskussionen mit verschiedenen Menschen weiterentwickelt. Viele Aspekte haben mich beeindruckt, gleichzeitig haben sie mich auch dazu angeregt, intensiver über bestimmte Themen nachzudenken und sie zu hinterfragen. All dies hat mich motiviert, auch in Zukunft in diesem Bereich weiter zu forschen.
Kein leichter Abschied
Die Stimmung in meiner letzten Praktikumswoche war sehr getrübt. Die Kinder und ich wussten beide, dass sich meine Zeit in Tansania dem Ende zuneigt. „We are so sad, we are so so sad to say goodbye, our teacher Leona.“ Dies waren die ersten Worte eines Abschiedsliedes, das die Kinder für mich an meinem letzten Abend in ihrem Dorm gesungen haben. Ich sah in traurige Gesichter mit gläsernen Augen. Mein Herz zerbrach innerlich in zwei. Kinder, die vor kurzem noch Fremde für mich waren, sind mir mittlerweile so ans Herz gewachsen. .
Bevor ich mich von jedem Kind verabschieden konnte, raffte sich ein Schüler auf und brachte den Mut zusammen die Frage zu stellen, die wir uns alle schon lange gesellt hatten: „ Sehen wir uns wieder?“ Der Raum war still, alle Augenpaare auf mich gerichtet. Dies hatte ich befürchtet. Bei all den Jahren reisen, waren dies immer die schwierigsten Momente für mich: Der Abschied von Menschen und Orten, die ich ins Herz geschlossen habe. Ich dachte, es wird vielleicht irgendwann leichter, doch das wird es nicht. Normalerweise sage ich bis bald und niemals tschüss, doch das waren bis jetzt immer andere Situationen. Die Kinder hier, haben keine Möglichkeit mit mir Kontakt zu halten oder mich in den nächsten Jahren irgendwo anders auf der Welt wieder zu treffen.
Die Entscheidung, ob wir uns wieder sehen, liegt dieses mal alleine in meiner Hand. Zu sagen, dass eine Rückkehr für mich unmöglich ist, wäre eine Lüge. Denn auch, wenn mich die Reise hierher viel Zeit und Geld gekostet hat, wäre dies in der Zukunft, wenn ich es wirklich will, erneut möglich. Obwohl ich gerade sehr emotional bin und mir ein Alltag ohne die Kinder fast unvorstellbar vorkommt, versuche ich realistisch zu bleiben. Es gibt so viele Orte auf der Welt, die ich noch erkunden möchte, Freunde und Familie, die zu Hause auf mich warten und andere bereits bestehende wundervolle Beziehungen mit Menschen verteilt auf verschiedenen Kontinenten. Wer weiß also, wo ich die nächsten Jahre sein werde? Somit wollte ich den Kindern kein Versprechen machen, dass ich nicht einhalte und beantwortete die Frage mit den einfachen Worten: „Das hoffe ich sehr…“ und merkte, wie mir dabei eine Träne von der Wange rollte.
Erfahrungen, die bleiben
Rückblickend auf mein Praktikum in Afrika kann ich sagen, dass es eine unglaublich bereichernde Erfahrung war. Die täglichen Herausforderungen und die neue Kultur haben mir wertvolle Einblicke und Erfahrungen vermittelt, die ich so schnell nicht vergessen werde. Ich habe nicht nur viel über die lokale Bildung und das Leben vor Ort gelernt, sondern auch neue Perspektiven gewonnen, die meine berufliche und persönliche Entwicklung nachhaltig beeinflussen werden. Es war eine Reise voller Lernmöglichkeiten, inspirierender Begegnungen und unvergesslicher Momente – und ich bin dankbar für jede einzelne davon.
Wie geht es weiter?
Während ich hier am Flughafen von Dar es Salaam sitze, die letzten Wochen Revue passieren lasse und meine Erfahrungen mit dir teile, wartet bereits mein nächstes Abenteuer auf mich. Statt zurück nach Deutschland zu reisen, geht es für mich zunächst nach Rishikesh in Indien, der Welthauptstadt des Yoga. Dort werde ich die nächsten vier Wochen in einem Yogashala verbringen und erneut viel Neues lernen. Danach führt mich mein Weg nach Nepal, wo ich an einer Schule unterrichten und eine zehn-tägige Wanderung durch den Himalaya unternehmen werde.
Die Welt steht auch dir offen! Nutze deine Möglichkeiten und starte dein eigenes Abenteuer. Wer weiß, vielleicht kreuzen sich unsere Wege eines Tages, und du erzählst mir von deinen Auslandserfahrungen. Mir war es jedenfalls eine große Freude, meine Erfahrungen aus Tansania mit dir zu teilen.
Herzliche Grüße,
Leona