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Entwerfen, entwickeln, erleben

Was bedeutet es, Architektur an einer privaten Universität in Santiago de Chile zu studieren? Wie unterscheidet sich das Studium und der Unialltag von dem in Deutschland und wie prägen regionale Einflüsse die Inhalte? Welche anderen Ansätze, Methoden und Herausforderungen erwarten mich hier? Diese und andere Fragen habe ich mir vor meinem Auslandssemester gestellt und werde meine Antworten in diesem Beitrag mit euch teilen!

Die Universidad del Desarrollo (übersetzt „Universität der Entwicklung“), kurz UDD, ist eine private Universität, die 1990 gegründet wurde und heute zu den renommiertesten Universitäten in Chile zählt. Mit ihrem Hauptcampus in Santiago und einem weiteren Standort in Concepción ist die UDD bekannt für ihre praxisorientierte Ausbildung und enge Anbindung an die Wirtschaft. Sie legt besonderen Wert auf Innovation, Unternehmertum und Leadership und verankert diese Konzepte deshalb auch stark im Architekturprogramm. Der große und moderne Campus am äußeren Rand von Las Condes, Santiago bietet eine inspirierende Lernumgebung mit vollausgestatteten Bibliotheken, Werkstätten, Material- und Copyshops und Arbeitsräumen. Zusätzlich bietet sie auch eine Menge Optionen für die Pausen und Freizeit an – wie zum Beispiel Sportangebote, Cafés, verschiedenste Veranstaltungen und sowohl sportliche als auch kreative Wettbewerbe. Die Lehrmethoden hier unterscheiden sich von denen öffentlicher Universitäten: Der Unterricht ist sehr intensiv und persönlich, die Kurse meist nicht so groß, weshalb ihr in direktem Kontakt zu den Lehrenden steht. Außerdem gibt es hier eine Anwesenheitspflicht, bedeutet, ich muss eine bestimmte Prozentzahl anwesend sein, das variiert von Kurs zu Kurs aber liegt meist zwischen 75 und 85 Prozent. Wenn ich diese Anwesenheit nicht erreiche, würde ich automatisch in dem Kurs durchfallen.

Im Überblick: Das Architekturstudium

Das Architekturstudium an der UDD hat eine Regelstudienzeit von zwölf Semestern, also sechs Jahre, wobei die letzten zwei Semester das sogenannte „Proyecto de Título“ sind, vergleichbar mit der Bachelorthesis bei uns in Deutschland. Erst mit dem Abschließen dieses Projektes und dem Sammeln von insgesamt 590 créditos dürfen sich die Studierenden hier Architekt*in nennen. Der Fokus des Studiums liegt hier klar auf Kreativität und Innovation. Die Professor*innen und Dozent*innen legen großen Wert darauf, dass die Studierenden neue Ideen und Konzepte entwickeln und sich mit ihren Projekten kreativ ausleben. Besonders in den ersten zwei Jahren des Studiums geht es stark um abstrakte Themen wie Licht und Schatten, Bezug zwischen Innen- und Außenraum, Farben und Formen und welche Gefühle die Architektur in uns auslösen soll. Daher sind auch Ausflüge und längere Exkursionen ein wichtiger Bestandteil hier, um bereits umgesetzte Projekte zu erfahren und sich inspirieren zu lassen. Die technischen Aspekte wie Baustoffe, Konstruktion und Tragwerksplanung spielen hier eher eine untergeordnete Rolle und werden erst in den späteren Semestern ein Thema. Ebenfalls ist es im vierten Jahr des Studiums verpflichtend ein Praktikum in einem Architekturbüro für mindestens 400 Stunden zu machen. (Also ungefähr drei Monate)

Vom freien Gestalten und kreativen Denken

Espanol por favor!

Das gesamte Architekturstudium findet hier auf Spanisch statt. Daher kann ich nur allen, die auch vorhaben hier ihr Auslandssemester zu machen, nur wärmstens ans Herz legen mindestens ein B1-Niveau in Spanisch zu haben.

Mein Kurs „Diseno IV“ („Entwurf sechs“) habe ich zweimal die Woche je vier Stunden, wobei die Zeiten hier mehr Richtlinien als Regeln sind, denn meistens wird hier stark überzogen und es kam auch schon vor, dass ich mal zwei Stunden länger da war, als vorgesehen. Wir sind 21 Studierende und der Kurs beinhaltet einen der letzten Entwürfe vor dem „Proyecto de Títulos“ und ist deshalb ein recht großer Entwurf und gibt 20 créditos. Der Kurs ist in zwei Sequenzen unterteilt, die wiederum aus jeweils drei Zwischenpräsentationen bestehen. Jeder Abschnitt wird dabei prozentual unterschiedlich gewichtet.

Die ersten zwei Monate gab es eine Gruppenarbeit, die ich mit zwei Chileninnen zusammen gemacht habe. Hauptbestandteil war die Analyse des Stadtteils „Renca“ hier in Santiago. Wir haben uns mit den bestehenden Strukturen, Gebäudeformen, Grünzonen und der Infrastruktur befasst und daraus einen Vorschlag entwickelt, wo es Sinn machen würde, etwas zu verändern oder zu ergänzen. Für diesen Teil gab es drei Zwischenpräsentationen, die insgesamt 40 Prozent der finalen Note ausmachen. Im Gegensatz zu meinem Studium in Deutschland, gibt es hier keine genaue Aufgabenstellung, die uns sagt, was wir machen sollen, sondern sind sowohl frei in der Wahl unseres Grundstücks als auch in der Gebäudeform und der Nutzung.

Mit dem Abschluss des ersten Teils, startete vor einem Monat nun der zweite Teil des Kurses, der nun in Einzelarbeit stattfindet und zwar die Entwicklung meines Projekts. Ich habe mich dazu entschieden eine Kinderbetreuung auf meinem Grundstück entstehen zu lassen, da direkt nebenan eine bestehende Schule steht und viele Eltern eine Möglichkeit zur Unterbringung ihrer Kinder nach der Schule benötigen, da sie länger arbeiten. Jede Woche komme ich dafür mit neuen Ideen und Vorschlägen zu meinem bereits entwickelten Projekt, als auch Arbeitsmodellen und Plänen zu meinen Lehrenden und wir sprechen über Korrekturen und Verbesserungen die ich daran vornehmen kann. Die Lehrenden nehmen sich dabei wirklich viel Zeit für jeden Studierenden und sprechen jedes einzelne Projekte genau durch. Neben dem Entwerfen des Gebäudes, muss auch der umliegende Bereich, wie die Straßen und Grünzonen mit in Betracht gezogen und entwickelt werden. Eine benotete Zwischenpräsentation gab es bereits, eine folgt noch und dann gibt es im Dezember die Endpräsentation, die mit 30 Prozent am wichtigsten ist.

Der Kurs macht mir wirklich Spaß, da ich mich hier sehr kreativ ausleben kann, jedoch ist es auch sehr viel Zeit und Arbeit die ich investieren muss, um mit meinen Kommiliton*innen mitzuhalten, denn die Bewertung hier ist ziemlich streng und eine Sechs oder Sieben bekommt hier leider kaum jemand.

Das Semester geht jetzt noch sechs Wochen bis zur finalen Präsentation des Projekts, bis dahin werde ich weiter jede Woche an meinem Entwurf arbeiten und das Endresultat natürlich mit euch teilen. Seid gespannt!

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