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Im Auge des Sturms: Hurrikan-Saison in Kanada

Der Herbst an der Ostküste Kanadas ist für zwei Merkmale bekannt: den goldenen „Indian Summer“ und die Hurrikane-Saison. Von ersterem habe ich bisher leider wenig gesehen, von letzterem für meinen Geschmack ein bisschen zu viel. Den ersten Hurrikan meines Lebens erlebte ich diese Woche. Was es über Hurrikane in Kanada zu wissen gibt, wie es das alltägliche Leben beeinflusst und was im Notfall zu tun ist, erfährst du hier. Ein Tipp vorweg: Eine Regenjacke sollte in jedem Fall in deinem Koffer Richtung Kanada dabei sein.

Kanada als Reiseziel ist in den meisten Köpfen mit eisiger Kälte, viel Schnee oder weitläufigen Landschaften, Bergen und blauen Seen verknüpft. So auch bei mir. Doch ist Kanada ungefähr 28-mal so groß wie Deutschland und fast so groß wie Europa. Es sollte also nicht wundern, dass über das Land verteilt verschiedene Klimazonen herrschen und Wetterphänomene auftreten. In der Region, in der ich momentan lebe, sind Hurrikane keine Seltenheit. Diese Woche erlebte ich zum ersten Mal einen hautnah.

Was ist ein Hurrikan?

Hurrikane bilden sich über tropischen Meeren wie dem Atlantik, in denen die Wassertemperaturen mindestens 26,5 Grad Celsius betragen. Wenn die Sonne direkt über dem Meer steht, führt dies dazu, dass Wasser verdunstet und die warme Luft aufsteigt. Dieser Prozess erzeugt am Boden einen Bereich mit niedrigem Luftdruck. Die umgebende warme und feuchte Luft strömt aus verschiedenen Richtungen in diesen Bereich hinein. Daraus entsteht ein rotierender Tropensturm, der über 119 km/h beträgt.

Klimawandel und Hurrikanwarnungen: Herausforderungen entlang der Atlantikküste Kanadas

Die Atlantikküste Kanadas wird oft unter einer Klimazone zusammengefasst. „Atlantic Canada“ umfasst die Provinzen New Brunswick, Newfoundland und Labrador, Prince Edward Island und Nova Scotia. Halifax befindet sich auf letzterer Insel und genau hier treffen regelmäßig Hurrikane das Land. Der Klimawandel wirkt sich auch auf diese Region aus, sodass die Luftfeuchte in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist. In diesem Jahr war Halifax bisher vor allem wegen der Waldbrände und Überschwemmungen in den Nachrichten, bei denen viele Menschen ihre Häuser verlassen mussten. Diese Brände sind inzwischen gelöscht und auch um Überschwemmungen machen sich die Menschen derzeit keine großen Sorgen. Stattdessen beobachten viele Bewohner*innen momentan die androhenden Hurrikane.

Wusstest du schon?

Ein durchschnittlicher Hurrikan verfügt über so viel Leistung wie alle weltweit installierten Kapazitäten zur Erzeugung von elektrischer Energie zusammen. Bisher ist es aber nicht gelungen, diese Energie für Menschen nutzbar zu machen.

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr traf „Hurricane Fiona“ die Region besonders hart, weshalb der aktuelle Hurrikan mit Besorgnis erwartet wird. Eingestuft als Wirbelsturm der Kategorie Vier war „Fiona“ der intensivste und destruktivste Hurrikan seit Wetteraufzeichnungen für die Atlantikküste. Der für diese Woche angekündigte „Hurricane Lee“ wurde ursprünglich als Kategorie Drei, inzwischen als Kategorie Ein- Sturm erwartet. Zwischenzeitlich wurde er auch von einem „Hurricane“ zu einem „tropischen Wirbelsturm“ definiert, was bedeutet, dass der Wind mit weniger Geschwindigkeit auf das Land treffen wird als zuvor berechnet. Für die diesjährige Hurrikan-Saison wird momentan von 14 bis 21 Stürmen gesprochen, von denen potenziell sieben Hurrikane werden könnten. Die Zahl liegt ein wenig über dem Durchschnitt, was unter anderem an der immer höher werdenden Luftdichte liegt. Aber nicht alle treffen tatsächlich aufs Festland („Landfall“), da oft der Sturm vorher schon „abbremst“. Von all diesen Dingen wusste ich bis vor einer Woche so gut wie nichts. Dann kam „Hurricane Lee“.

Die Ruhe vor dem Sturm

Der Hurrikan kündigte sich auf verschiedene Weise an. Bereits zu Beginn der Woche wurde vor dem Sturm gewarnt, doch eher in Form von Witzen von Kommiliton*innen. Wir, meine europäischen Freunde und ich nahmen es deshalb eher harmlos auf. Bis Donnerstag passierte auch nichts, was drohendes Unheil ankündigte, deshalb sahen wir dem Wochenende entspannt entgegen.

Am Donnerstag setzte Starkregen ein. Mit Starkregen meine ich wirklich strömenden Regen, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Die 15 Minuten Fußweg zur Uni hätte ich rückblickend wohl besser mit dem Bus bestritten – ich kam nass bis auf die Knochen in meinem Seminarraum an. Auch meinen Rucksack erwischte es doll: Mein neues Buch für den Kurs tropfte beim Auspacken. Mein Laptop blieb glücklicherweise dank meiner Hülle verschont. Da auch alle Kommiliton*innen ähnlich durchnässt beim Kurs erschienen und der Boden langsam rutschig wurde, war es auch irgendwie eine ganz lustige gemeinsame Erfahrung.

Retrospektiv war das wohl die Ruhe vor dem Sturm. Einige Studierende erzählten in der Uni von ihren Erlebnissen mit Hurricane Fiona im letzten Jahr und ab dann wurde mir dann doch ein wenig mulmig. Neben zu erwartendem Sturm, Überflutungen und abbrechenden Ästen waren sich alle Kanadier*innen sicher, dass wir mit bis zu mehreren Tagen andauerndem Stromausfall zu rechnen hätten. Puh. So was kannte ich bisher nur aus den Nachrichten.

Auf einmal kam alles Schlag auf Schlag. Im Laufe des Donnerstags und Freitags erhielten wir mehrere „Uni Alerts“, Sicherheitshinweise von unserer Uni, die vor dem Hurrikan warnten und zu Vorkehrungen mahnten. Freitagnachmittag wurde so auch die Schließung der Uni für Samstag bekannt gegeben. Mein Sportkurs für denselben Tag wurde ebenso abgesagt.

Screenshot eines schwarz-weißen Handybildschirms: Es ist eine Meldung zu sehen, die ankündigt, dass der Uni Campus am Samstag geschlossen sein würde.
Die Uni bleibt vorerst geschlossen.

Am Freitagabend ging ich noch einmal schnell in den Supermarkt, unter anderem um den Wasservorrat der WG aufzustocken. Dort bekam ich dann doch ein wenig Sorge, denn die Warteschlangen reichten weit in den Laden hinein. Zudem waren etliche Regale leer; die Menschen hamsterten wie bei uns zu Beginn des Corona-Lockdowns. Die kanadischen Bewohner*innen schienen in Panik zu sein und das beunruhigte mich.

Im Laufe des Freitags ließ der Regen nach, doch der Wind nahm zu. Wir befolgten die Warnhinweise der Uni, doch waren immer noch nicht sicher, womit wir es genau zu tun haben würden. Der Abend gestaltete sich ruhig und ohne Zwischenfälle. Ich ging mit einem weitestgehend ruhigen Gefühl schlafen, während der Wind leise um das Haus pfiff und Regentropfen leicht an mein Fenster klopften.

..und dann wurde es dunkel

Eigentlich wurde es hell. Aber metaphorisch gesprochen. Am nächsten Morgen wachte ich auf und mein Handy zeigte mir zwei beunruhigende Tatsachen an: Es lud nicht, obwohl es an der Steckdose hing und hatte keine Verbindung zum WLAN. Oje. Nach kurzem Check am Lichtschalter war klar: Der Strom ist weg. Nach einem Blick aus dem Fenster war auch schnell ersichtlich, warum: Direkt vor unserem Haus ist scheinbar nachts ein großer Baum am Stamm unter der Last des Windes zusammengebrochen und hat beim Fall die Stromleitung der Straße mitgerissen. Dieser Baum blockierte die gesamte Straße und verhinderte jeglichen Verkehr.

Der Wind hat über Nacht auch enorm an Stärke zugenommen. Für einige Stunden des Tages war die Situation beängstigend. In der ganzen Stadt und darüber hinaus hat der Sturm erhebliche Verwüstung angerichtet. Doch hatten wir wohl Glück im Unglück: Nach ein paar Stunden funktionierte unser Strom bereits wieder (weitestgehend) stabil. Der Hurrikan überflog Halifax recht schnell, sodass auch die Uni bereits am Montag wieder aufmacht und damit de facto nur zwei Tage geschlossen war. Am Samstagabend, während der Sturm noch recht heftig tobte, kamen bereits Angestellte der Stadt Halifax und beseitigten den Baum in unserer Straße. So schnell wie er gekommen war, war der Hurrikan also auch wieder weg.

Tipps für einen Stromausfall bei einem Hurricane

Für mich lief mein erstes Hurrikan-Erlebnis vergleichsweise glimpflich ab. Dennoch ist mit derartigen Naturgewalten nicht zu spaßen. Solltet ihr euch mal in einer ähnlichen Situation befinden, gebe ich euch folgende Ratschläge an die Hand, die sowohl zur Vorbereitung als auch während eines Hurrikans von Nutzen sein könnten:

  1. Nur aus dem Haus gehen, wenn unbedingt nötig.
  2. Fenster und Türen sicher verschließen.
  3. Lose Gegenstände im Außenbereich sichern oder ins Haus bringen.
  4. Vorräte für mindestens drei Tage kaufen (Essen, dass nicht schnell verdirbt und keine/n Herd/Backofen/Mikrowelle benötigt).
  5. Wettermeldungen verfolgen.
  6. Elektrische Geräte präventiv aufladen und Powerbanks und Akkus laden.
  7. Geräte, wenn aufgeladen vom Strom nehmen, um Schäden bei Schwankungen vorzubeugen.
  8. Bei Verfügbarkeit Radio einschalten, um die Meldungen zu verfolgen.
  9. Auf die Locals hören!
  10. Ruhe bewahren und gesunde Vorsicht walten lassen.
Selfie im Sturm: Sarah, in Regenjacke, schaut skeptisch zum Himmel.
Ob ich wohl irgendwann mal was vom „Indian Summer“ sehe?

In jedem Fall war es gut, auf die Warnungen von öffentlicher Seite zu hören. Und eine Regenjacke ins Gepäck zu legen. Wir hatten wohl Glück im Unglück. Ich bin mir auch bewusst, dass es weitaus schlimmer hätte ausgehen können und dass ich sehr privilegiert bin, von einem sicheren Platz aus darüber berichten zu können. Sicher gibt es einige Menschen, die schlimm von Hurricane Lee getroffen wurden. Auch leben in Halifax viele Obdachlose, die der Lage ohne häuslichen Schutz hilflos ausgeliefert waren. Ich verfolge akribisch die Nachrichten, aber bisher gibt es zum Glück keine Berichte über Todesfälle oder Krankenhausaufenthalte in Verbindung mit Hurricane Lee.
Zusammenfassend bin ich also dankbar für die Erfahrung und hoffe, dass der nächste Hurrikan ein wenig auf sich warten lässt.

Passt auf euch auf!
Sari 🍁

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