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Zwischen Robotern, Biofuel und Bay-Area-Vibes

Ein Praktikum im weltberühmten Keasling Lab – und mittendrin: ich, ein Enzym, KI und der Traum vom nachhaltigen Kraftstoff. Was wie Science-Fiction klingt, wurde in Berkeley Realität.

In einem kleinen Café in München, mit meinem Laptop und einem schwarzen Kaffee, klickte ich auf den „Senden“-Button einer LinkedIn Nachricht. Meine Bewerbung für ein Praktikum im Keasling Lab war raus – ein Ort, der für mich mehr Mythos als Realität war. Ich wusste, dass dieses Labor zu den weltweit führenden in der synthetischen Biologie zählt. Was ich damals noch nicht wusste: Wie sehr diese Erfahrung mein Denken, meine Ambitionen und meinen Blick auf Forschung verändern würde.

Als ich mein Praktikum im Labor von Prof. Jay Keasling begann, war ich gleichzeitig aufgeregt und ehrfürchtig. Immerhin gilt sein Labor an der UC Berkeley als eines der besten weltweit im Bereich synthetische Biologie. Schon vor Praktikumsbeginn hatte ich mich intensiv vorbereitet: Ich las zahlreiche Paper mit Zotero, machte mir Anki-Karten und versuchte, das Projekt meines Supervisors bestmöglich zu verstehen. Trotzdem war der Einstieg intensiv. Ich wurde direkt mit der Wissenschaft hinter dem Projekt konfrontiert, und es ging schnell los: Ich durfte erste Tätigkeiten im Labor übernehmen.

Vom Beobachter zum Mitforscher

Die ersten zwei Wochen arbeitete ich eng mit meinem Supervisor zusammen. Er zeigte mir verschiedenste Methoden, mit denen er tagtäglich arbeitet. Viele davon waren spezifisch auf den Organismus Streptomyces angepasst – für mich komplett neu. Andere wie PCR oder Gibson Assembly kannte ich bereits, da ich sie schon mehrfach selbst durchgeführt hatte.

Anfangs hatte ich weder ein eigenes Projekt noch einen festen Arbeitsplatz. Ich arbeitete ausschließlich an den Projekten meines Supervisors mit. Nach etwa drei bis vier Wochen sprachen wir dann über mögliche Projekte, die ich selbständig verfolgen könnte. Das war der Startpunkt für mein erstes eigenes Forschungsprojekt.

Mein Projekt: Directed Evolution trifft KI

Das Projekt, das ich nun betreue, ist Teil eines neuartigen Ansatzes der Directed Evolution. Dabei verwenden wir sogenannte Protein Language Models (PLMs), die in erst kürzlich erschienenen bahnbrechenden Studien beschrieben wurden. Inzwischen wurde daraus natürlich eine Firma gegründet – EvolutionaryScale. Diese Modelle nutzen KI, um vorherzusagen, welche Veränderungen an einem Protein zu verbesserter Funktion führen könnten.

Ich selbst bin neu im Bereich maschinelles Lernen und tastete mich Schritt für Schritt an die Thematik heran. Den Algorithmus und die technische Umsetzung haben Kolleg:innen im Labor programmiert. Meine Rolle liegt darin, ein Enzym, das im Biosyntheseweg eines potenziellen Biofuels eine zentrale Rolle spielt, mit Hilfe eines PLMs zu optimieren.

Das Enzym, das ich optimiere, ist Teil eines Stoffwechselweges, über den ein neuartiger Kraftstoff hergestellt werden soll. Derzeit ist die Ausbeute des Moleküls gering. Durch gezielte Optimierung des Enzyms erhoffen wir uns eine höhere Produktivität und damit eine leistungsfähigere mikrobielle Produktionsplattform. Ziel ist es, einen Biofuel zu erzeugen, der sich für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt oder im Schiffverkehr eignet.

Roboter, Routinen und eine steile Lernkurve

Ich bekam einen eigenen Labor- und Büroplatz mit Laptop und mehreren Bildschirmen. Anfangs war ich noch etwas unbeholfen, da mir viele Arbeitsabläufe neu waren. Doch durch die enge Zusammenarbeit mit meinem Supervisor fand ich schnell hinein. Schon bald plante ich meine eigenen Experimente und koordinierte den Projektablauf selbstständig.

Ich bin erstaunt, wie schnell die Lernkurve hier verläuft. In nur zwei Monaten habe ich unzählige neue Methoden gelernt, besonders im Bereich High-Throughput-Screening. Hierbei wird mit sehr vielen Proben gleichzeitig gearbeitet – unterstützt durch Automatisierung und Roboter, die viele manuelle Schritte übernehmen. Diese Technologien sind das Rückgrat moderner Biotechnologie, und ich hoffe, noch mehr darüber lernen zu können.

Petri-Schalen mit Streptomyces Wachstum
Petri-Schalen mit Streptomyces Wachstum

Natürlich lief nicht alles immer glatt. Doch was mich hier besonders begeistert, ist die amerikanische Fehlerkultur. Fehler werden nicht als Makel gesehen, sondern als Lernchancen. Diese Einstellung gibt mir Mut, neue Dinge auszuprobieren, auch wenn nicht alles auf Anhieb klappt. Diese Offenheit habe ich so noch nie erlebt. Auch das zwischenmenschliche Klima im Labor ist unglaublich: Die Kolleg:innen sind hilfsbereit, offen und begeistert bei der Sache. Ich fühle mich angekommen.

Mentorship und Bay-Area-Vibes

Mein Supervisor Thomas Young ist für mich ein Glücksfall. Ich bin extrem dankbar, ihn als Mentor zu haben. Er lässt mir Freiraum für eigene Ideen, unterstützt mich in jeder Hinsicht und möchte, dass ich so viel wie möglich lerne – sei es durch Robotik, neue Methoden oder unternehmerisches Denken.

Omar Yaghi hält einen Talk über MOFs und deren potential CO2 aus der Luft einzufangen
Omar Yaghi hält einen Talk während eines Events der SF Climate Week über MOFs und deren potential CO2 aus der Luft einzufangen.

So konnte ich nicht nur meine Laborarbeit fortsetzen, sondern auch Networking Events besuchen, Entrepreneurship-Vorlesungen an der UC Berkeley hören und bei der SF Climate Week teilnehmen. Besonders spannend war der Fokus auf die Rolle von AI und Climate Tech. Hier in der Bay Area spürt man den Hype. Ständig entstehen neue Start-ups, die mit neuen Technologien die Welt verändern wollen. Diese Energie ist inspirierend.

Highlight: SynBioBeta 2025

Nächste Woche steht für mich ein weiteres Highlight an: die SynBioBeta 2025 in San Jose – eine der größten Konferenzen für synthetische Biologie weltweit. Ein Ticket kostet normalerweise über 2000 Dollar. Ich habe den Veranstaltern geschrieben, einen Discount erhalten und bin mit einem Kollegen zum PI gegangen, der uns ermöglicht hat, kostenlos teilzunehmen. Jetzt darf ich sogar ein Poster präsentieren. Das ist Neuland für mich und unglaublich aufregend.

Die Speaker-Liste liest sich wie ein Who’s Who der Tech- und Bio-Welt: Bryan Johnson – Aging, Kevin Scott – CTO von Microsoft, Patrick Brown – CEO von Impossible Foods und sogar Kate Rubins, eine Astronautin. Ich bin ehrlich, ich bekomme Gänsehaut wenn ich mir das wirklich durch den Kopf gehen lasse…

Wenn Begeisterung Flügel verleiht

Ich weiß nicht genau, wie ich dieses Gefühl beschreiben soll. Aber ich merke, wie mich diese Umgebung beflügelt. Die Bay Area ist ein Ort voller Energie, Kreativität und Ambitionen. Networking passiert scheinbar ganz von allein. Menschen wollen etwas bewegen.

Sonnenuntergang Mount Tam
Hier beginnt buchstäblich ein neuer Lebensabschnitt für mich. Das hier ist übrigens Mount Tamalpais – ein absoluter Traum.

Ja, das Leben hier ist teuer. Aber es ist auch ein Ort, der Talente anzieht und ihnen Raum gibt. Wer am Nabel der Zeit arbeiten möchte, für den ist die Bay Area ein perfekter Startpunkt. Ich habe das Gefühl, hier meine Flügel auszubreiten – und vielleicht zum ersten Mal wirklich zu fliegen.

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