7. April 2025
Das Leben in Marokko unterscheidet sich aufgrund der teilweise starken kulturellen Unterschiede sehr. Heute möchte ich mal genauer auf meine Mission eingehen und über meine interkulturelle Erfahrungen berichten.
Es ist ehrlich gesagt gar nicht so einfach, kulturelle Unterschiede immer so genau zu benennen. Wenn du das erste Mal in ein Land reist, dass sich sehr von deinem Heimatland unterscheidet, fühlt sich einfach alles anders an und es liegt auch in unserer Natur, uns eher auf Unterschiede als Gemeinsamkeiten zu konzentrieren. Wir sollten aber niemals vergessen, dass wir am Ende des Tages alle Menschen sind, die oft ähnliche Wünsche und Träume haben.

Dies ist nicht mein erstes Mal in Marokko und auch nicht mein erstes Mal in einem arabischen Land. Ich profitiere extrem von meinen vorherigen Erfahrungen und wusste dieses Mal schon, was auf mich zukommt und konnte mich daher auch vorbereiten. Casablanca ist außerdem als Wirtschaftshauptstadt in vielen Teilen sehr modern und auch die Leute sind großteils sehr aufgeschlossen. Doch als ich vor ein paar Jahren das erste Mal in Marokko und Jordanien war, habe ich durchaus einen sogenannten „Kulturschock“ erlitten.
Gastfreundschaft und Herzlichkeit
Einen ganz großen Punkt, den ich unbedingt als Erstes ansprechen möchte, ist die Gastfreundschaft und Herzlichkeit. Es dominieren oft viele negative Stereotype über die arabische Welt und dabei wird dieser Teil oft vergessen. Ich habe bis jetzt schon extrem viele schöne Begegnungen mit Menschen hier gehabt. Sei es der nette Erdbeerverkäufer, der sich darüber freut, dass ich auf Arabisch rede, der Restaurantbesitzer, der sich zu uns setzt und ein Gespräch anfängt oder der ältere Mann, der mir erzählt, wie er sich seit Jahren um diese Katze kümmert. Diese Momente machen die Zeit für mich hier so besonders und prägend: zu sehen, dass hier noch die Menschlichkeit und das Interesse an Menschen existiert, was wir in Deutschland, finde ich, leider etwas verloren haben.
Dinge, die ich vielleicht nie verstehen werde…
- Richtige Schuhgröße? Fehlanzeige: Wenn du dachtest, die Deutschen sind Meister im Schlappen tragen, dann solltest du mal nach Marokko kommen. Nur irgendwie tragen die meisten einfach viel zu kleine Schuhe. Manchmal wird der Look dann noch von einem schicken Bademantel komplementiert. Es kann gut sein, dass direkt daneben ein Anzugträger läuft. Der Dresscode ist hier wirklich sehr dehnbar.
- Mangelnde körperliche Fitness: Eine traurige Beobachtung, die ich leider oft machen muss, ist in was für einer schlechten körperlichen Verfassung vor allem (ältere) Frauen oft sind. Szenen, wie sich eine Frau unter größten Anstrengungen, die Treppen hochkämpft, sehe ich leider sehr oft.
- Wenig nette Begegnungen mit Frauen: Ich möchte hier nicht generalisieren, es gibt natürlich auch nette Frauen, aber leider habe ich eher negative Erfahrungen mit Frauen im Alltag gemacht. Ich werde weder angelächelt, noch wird mir auf dem Gehsteig Platz gemacht, um vorbeizukommen oder die Tür aufgehalten, wenn ich hinter ihnen durch eine Tür gehen möchte. Ich frage mich seit Wochen, mit was dieses Verhalten begründet werden kann. Herausgefunden habe ich es noch nicht.
- Kaum Umweltbewusstsein: Ein Punkt, der mich hier echt nervt, ist das kaum vorhandene Bewusstsein für Müll und Umwelt. Eine funktionierende Müllversorgung etc. ist die eine Sache und dafür können die Bewohner natürlich nichts, aber das einfach alles Mögliche an Ort und Stelle auf den Boden geschmissen wird, ist für mich wirklich unverständlich. Vor Restaurants, Wohnblöcken etc. wird zwar täglich gefegt, dieser Müll wird dann aber einfach auf die Straße oder in die nächste Ecke gekehrt… Ganz nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn.
- Das räumt schon jemand anders weg: Was mir wirklich negativ aufgefallen ist, dass einige Erwachsene immer noch davon ausgehen, dass hinter ihnen alles weg- und aufgeräumt wird. Vor allem wer in Marokko aus einem besseren Haus kommt, hatte vermutlich sein ganzes Leben lang eine Haushaltshilfe und ist daran gewöhnt, nichts selber machen zu müssen.
Persönliche Beziehungen sind das A und O
Persönliche Beziehungen haben hier nochmal einen ganz anderen Stellenwert. Das zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass Kommunikation bevorzugt im echten Leben abläuft und auch auf der Arbeit Meetings etc. noch viel öfter in Person abgehalten werden. Es kann gut sein, dass du auf E-Mails keine Antwort erhältst; auch nicht nach der fünften, aber nach einem kurzen Telefonat deine Antworten hast.

Buchempfehlung
Wenn du dich für interkulturelle Unterschiede insbesondere im Arbeitsumfeld interessierst, kann ich dir nur das Buch „The Culture Map“ von Erin Meyer ans Herz legen. Ich habe dank dieses Buch wirklich extrem viel gelernt und die Autorin betrachtet die Thematik sehr differenziert.
Tendenziell haben die Angestellten auf der Arbeit hier ein viel engeres und persönliches Verhältnis und die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben sind nicht so strikt. Mittagspausen werden in der Regel gemeinsam gemacht und besondere Anlässe gefeiert (und hier musst du deinen Geburtstagskuchen NICHT selber mitbringen).
Alles mit der Ruhe
Der unterschiedliche Umgang mit Zeit ist vermutlich eine der größten Herausforderungen bei der Zusammenarbeit von Deutschen und Marokkanern. Fristen werden eher etwas flexibler gesehen und können auch mal verschoben werden, wenn es als notwendig betrachtet wird. Auch die Ansicht, was Pünktlichkeit betrifft, geht tendenziell auseinander. Pläne werden häufig spontan gemacht, was für mich auf jeden Fall eine Herausforderung ist, da ich gerne plane. Hier habe ich also die Möglichkeit, mich auf eine etwas spontanere Freizeitgestaltung einzulassen, denn ich habe französische, spanische und marokkanische Freunde und alle gehen gelassener mit Zeit um als ich. Ein gutes Learning für mich.
Außerdem läuft vieles etwas langsamer ab. Während mir in Deutschland an der Supermarktkasse der Schweiß von der Stirn läuft, weil ich nur circa eine Millisekunde habe, um meine Einkäufe wegzupacken, schlafe ich hier manchmal fast ein. Etwas langsamer gerne, aber so langsam müsste es dann doch nicht sein… Allgemein lassen sich die Leute hier weniger stressen und die aktuelle Arbeit kann schonmal eben für ein Pläuschen vergessen werden.
Das reinste Chaos?!
Eine der größten Herausforderungen für mich: mit dem Verkehrschaos zurechtkommen. Vor allem am Anfang ist es wirklich sehr überfordernd. Es gibt scheinbar keine offiziellen Regeln außer: Der Stärkere gewinnt. Autos halten nicht am Zebrastreifen, Ampeln werden nicht zwingend respektiert und jeder quetscht sich irgendwie durch. Auch wenn ich hier in Casablanca kaum Erfahrungen von Catcalling gemacht habe, in einem gewissen Alarmmodus bin ich außerhalb des Hauses immer. Inzwischen habe ich mich so weit daran gewöhnt, aber stressen tut es mich weiterhin. Wenn ich über die Straße will, muss ich einen guten Moment abpassen, loslaufen und darauf vertrauen, dass das anfahrende Auto anhält. Es ist wirklich immer extreme Vorsicht geboten und ich muss immer sehr achtsam sein, dass nicht doch mal was passiert. Ich könnte mir nicht vorstellen, hier selber Auto zu fahren. Auch als Beifahrerin im Taxi finde ich es ziemlich anstrengend, manche fahren aber deutlich angenehmer als andere. Dazu kommt noch der Lärm, denn eine der Lieblingsbeschäftigungen hier, ist Hupen.

Wo endet Religion, wo beginnt Kultur?
Homosexualität ist verboten genauso wie Abtreibungen und kann dich ins Gefängnis bringen. In der Öffentlichkeit Zuneigung zu zeigen, ist eher unangebracht. Selbst in relativ modernen Familien darf der Vater bzw. die männliche Seite der Familie teilweise nicht wissen, dass ihre Töchter daten und Beziehungen führen. Einer meiner marokkanischen Freundinnen war jahrelang in einer Beziehung. Alle weiblichen Familienmitglieder wussten Bescheid, dem Vater wurde der Freund erst vorgestellt, als sie sich verloben wollten und er um ihre Hand gebeten hat.
Masterarbeitsthema: Interkulturelles Management
Da mich insbesondere das Thema „interkulturelles Management“ sehr interessiert möchte ich darüber auch meine Masterarbeit schreiben. Das Thema wird immer relevanter und ich bin ziemlich sicher, dass ich mit diesem Thema in Zukunft fast täglich konfrontiert sein werde.
Ich finde es sehr schwer zu sagen, welche Aspekte der Religion und welche eher der Kultur zuzuordnen sind. Diese beiden Säulen vermischen sich hier sehr. Es gibt zum Beispiel durchaus viele Marokkaner:innen, die überhaupt nicht gläubig sind, aber öffentlich zugeben sollten sie das nicht. Insbesondere während des Ramadans, müssen diese Leute also so tun als würden sie fasten, denn andere Menschen verurteilen hier sehr gerne voreilig. Marokko ist im Gegensatz zu anderen Ländern zwar relativ offen, denn sie wollen auch den Tourismus extrem pushen, aber dabei solltest du nicht vergessen, dass das Land trotzdem eine Monarchie mit König ist. In jedem öffentlichen Gebäude steht mindestens ein Bild des Königs und in der Öffentlichkeit solltest du niemals die Königsfamilie kritisieren.
Es gibt auch immer noch ein Gesetz, dass es unverheirateten Marokkaner:innen untersagt ist, eine Unterkunft zu buchen. Bei Touristen wird das Gesetz aber nicht angewendet. Du siehst also, Marokko ist in manchen Aspekten sehr fortschrittlich, in anderen wird noch stark an kulturellen und traditionellen Normen festgehalten.
Ein Aufenthalt, der mich prägt
Durch diesen längeren Auslandsaufenthalt in einem arabischen Land kann ich sehr viele Eindrücke über die Kultur und die Mentalitäten der Menschen in Marokko sammeln. Außerdem kann ich meine vorhandenen interkulturellen Kompetenzen anwenden und schärfen und meinen Horizont noch mehr erweitern. Nicht zuletzt auch, weil ich ein Praktikum absolviere und dadurch mehr Kontakt mit den Menschen von hier habe. Ich habe bis jetzt fast ausschließlich positive Erfahrungen gemacht und bin wirklich sehr zufrieden mit meiner Länder- und Praktikumsauswahl. Es gibt in jedem Land schwarze Schafe, hier sind es zum Beispiel die Taxifahrer, die einen gerne abziehen (wollen). Überwiegen tun aber mit Abstand die herzlichen Begegnungen mit den Menschen hier.