1. November 2025
Eine meiner Sorgen, nach Äthiopien zu reisen, war, dass meine Essensauswahl dort als Vegetarierin sehr eingeschränkt sein würde. Ich hatte befürchtet, dass die äthiopische Küche vor allem fleischlastig ist und ich mich mit Beilagen zufriedengeben muss. Diese Annahme hat sich glücklicherweise nicht bestätigt.
In Äthiopien hat das Thema „vegan essen“ eine ganz besondere, kulturelle Bedeutung. Die meisten orthodoxen Christ:innen dort befolgen eine alte Tradition namens „Tsome Dihinet“, bei der am Mittwoch und Freitag gefastet wird. An diesen beiden Tagen wird komplett auf tierische Produkte verzichtet, also kein Fleisch, keine Milch, keine Eier. Diese Praxis ist ein Ausdruck von Glaube, Selbstdisziplin und Achtsamkeit. Gefastet wird an diesen zwei Tagen, da Mittwoch als der Tag, an dem Judas Jesus verraten hat, gilt und Freitag an die Kreuzigung Jesu erinnert. Da das Fasten das ganze Jahr über statt findet (bis auf wenige Ausnahmen an Feiertagen), sind viele traditionelle äthiopische Gerichte vegan oder vegetarisch.
Gemeinsam essen und gemeinsam genießen
In Äthiopien wird Gemeinschaft groß geschrieben, besonders beim Essen. Die meisten Gerichte sind zum Teilen gedacht, und werden auf großen Tellern oder Tabletts in der Mitte des Tisches serviert. Deshalb freue ich mich jedes Mal, wenn wir nach dem Unterricht zusammen in die Mensa gehen und gemeinsam das Essen genießen. Auch wenn ich von mir behaupten würde, dass ich sehr gerne auch scharfes Essen esse, muss ich mir eingestehen, dass die Äthiopische Küche, besonders die grünen Chilis, mich manchmal ins Schwitzen kommen lassen. Eine weitere Besonderheit ist, dass in Äthiopien meist ohne Besteck gegessen wird. Traditionell nutzt man die rechte Hand, um das Essen mit einem Stück Injera aufzunehmen. Deshalb findet man in vielen Restaurants Waschbecken im Außenbereich, damit man sich vor und nach dem Essen die Hände waschen kann. Was für mich anfangs ungewohnt war, ist inzwischen völlig normal geworden und lässt mich dadurch täglich in die äthiopische Kultur eintauchen.
Injera: Das Herz der äthiopischen Esskultur
In Äthiopien steht besonders ein Essen im Mittelpunkt: Injera. Dieser riesige, pfannkuchen ähnliche Teig ist das Herzstück fast jeder Mahlzeit. Auf seiner Oberfläche werden die verschiedensten Speisen angerichtet: Eintöpfe, bunte Gemüsegerichte, würzige Saucen oder duftende Currys. Injera dient dabei gleichzeitig als „Besteck“. Das Gericht wird gegessen, indem ein Stück Injera mit der rechten Hand abgerissen wird und damit die Soßen und das Gemüse aufgenommen werden. Der Geschmack von Injera war für mich anfangs sehr gewöhnungsbedürftig, da es leicht säuerlich schmeckt.
Besonders beliebt als Topping sind die verschiedenen Wats, dicke, aromatische Eintöpfe. Misir Wat, ein Eintopf aus roten Linsen, ist fast immer dabei und gleichzeitig eines meiner liebsten Toppings. Shiro Wat dagegen besteht aus fein gemahlenem Kichererbsenmehl, das mit Gewürzen zu einer cremigen Sauce zubereitet wird. Schmeckt nicht nur lecker, sondern bietet auch eine ausgewogene Ernährung in Äthiopien.
Vor allem an den „Fasting“ Tagen gibt es überall Beyainatu. Der Name bedeutet so viel wie „von allem ein bisschen“. Was genau auf der Injera serviert wird, ist immer eine kleine Überraschung, da jedes Restaurant seinen eigenen Mix zusammenstellt. Meist allerdings verschiedenes Gemüse, Kartoffeln, Linsen und Currys. Einige Male habe ich auch schon Reis oder Nudeln darauf serviert bekommen. Das Ergebnis ist ein farbenfrohes Durcheinander von verschiedenen Gerichten und Aromen, was wirklich sehr gut schmeckt.
Ein weiteres vegetarisches Gericht, dass ich schon öfters bestellt habe ist Aib, eine Art säuerlicher Hüttenkäse, in Kombination mit Gomen, fein gehacktem, sehr scharfen Grünkohl.
Von äthiopischem bis deutschen Snacks
An der Uni bei uns gibt es einen kleinen Stand, an dem frische Samosas verkauft werden. Gefüllt sind sie mit Azifa, bestehend aus Linsen, fein gehackten Tomaten, rote Zwiebeln und grüne Chilis.
Wenn ich morgens keine Zeit habe, gehe ich oft zum Bäcker neben unserem Haus. Ich probiere dort fast jedes Mal etwas Neues aus und letztens habe ich dort sogar „richtiges“ dunkles Brot entdeckt. Nachdem ich das nun ein paar Mal gekauft habe, weiß ich nun auch, warum die Verkäuferin manchmal schmunzelt. Da hier vermehrt eine Art süßes Weißbrot verkauft wird, handelt sich bei dem dunklen Brot um eine Alternative für ältere Menschen oder solche mit Diabetes. Für mich kommt dieses allerdings am ehesten an deutsches Brot ran und erinnert mich an ein Stück Heimat. Letzens bin ich sogar zufällig an einer German Bakery vorbeigelaufen. Neben Brezeln und Plundern mischten sich dort auch lokale Spezialitäten mit hinein. Wenn ich also einmal Heimweh nach vertrautem Essen habe, weiß ich jetzt, was meine Anlaufstelle ist.
Frisch, lecker und preiswert: Obst und Gemüse
Eine Ausrede, nicht gesund zu essen, gibt es hier definitiv nicht. Zumindest bei mir nicht, wenn man sich die Märkte und Straßenstände in der Nähe unseres Hauses ansieht. Direkt nebenan liegt ein Markt, auf dem ich sehr günstig frisches Gemüse und Obst bekomme. Auch direkt vor unserem Haus werden frisches Obst und Gemüse angeboten. Es gibt nichts Besseres als frische Papayas, Wassermelonen und Avocados. Die Märkte vor Ort sind definitiv jedes Mal ein Erlebnis, aber manchmal auch herausfordernd: Viel Trubel und große Menschenmenge, laut und geruchsintensiv. Aber sie sind auch eine interessantere Erfahrung, als einfach nur durch den Supermarkt zu spazieren.

Internationale Küche
Und wenn es einem hier nicht nach Injera ist, gibt es von „authentischer“ Pizza (meine italienische Mitbewohnerin schüttelt gerade den Kopf, während ich das schreibe) über Burger, bis hin zu anderen internationalen Küchen, eine breite Auswahl.
Ein sehr beliebtes Gericht, das es auch fast überall gibt, ist das sogenannte „Egg-Sandwich“. Als ich mir dies zum ersten Mal in einer kleinen Unterrichtspause um 10 Uhr morgens bestellt habe, hatte ich mehr mit einem Snack als einem saftigen Burgerbun mit Omelett und Pommes und Ketchup gerechnet. Sehr lecker war es trotzdem!
Besonders spannend finde ich das Angebot an regionalen Buffets. Eine unserer Lieblingsbars bietet das Konzept in „80 Tagen um die Welt“ an, weshalb ich die Gelegenheit hatte, erstmals ein ghanaisches Buffet auszuprobieren.
Äthiopische Kaffeezeremonie
Wer nach Äthiopien kommt, darf eine traditionelle Kaffeezeremonie auf keinen Fall verpassen. Der Kaffee, auf Amharisch Buna, wird hier sehr ernst genommen. Frisch gemahlen wird er in einem traditionellen Tontopf zubereitet und bis oben hin in winzige Espressotassen eingeschenkt. In vielen Cafés wird Buna direkt am Tisch serviert, manchmal sogar mit einer Art Weihrauch, was das Erlebnis noch besonderer macht. Und auch wenn ich keine Kaffeetrinkerin bin, kann ich nach meiner ersten volle Tasse Buna sagen, dass der Kaffee hier wirklich anders und sehr aromatisch schmeckt. Auslandssemester bedeutet eben auch, etwas Neues zu probieren.
Neben Kaffee ist Tee, oder Chai, ebenfalls allgegenwärtig. Besonders gerne trinke ich „Special Tea“, der sehr süß ist und oft gar keinen klassischen Tee enthält. Stattdessen werden Ingwer, Orangen- und Ananassaft, Knoblauch und Honig kombiniert.
Ein weiteres kulturelles Getränk ist Tej, der äthiopische Honigwein. Er ist oft sehr süß und wird traditionell in einem runden, vasenartigen Gefäß serviert. Zu meiner persönlichen Freude gibt es hier auch ein lokales Sprudelwasser Ambo. Das lässt mich gleich ein wenig wie zu Hause fühlen😉
Mein Lieblingsplatz an der Uni? Ganz klar die Juicebar!
Definitiv mein Highlight hier auf dem Campus: frische Säfte, jeden Tag. Die Auswahl an Früchten ist riesig, alles wird frisch gepresst und ungesüßt serviert. Perfekt, wenn man das Frühstück mal verpasst hat. Meine Favoriten sind ganz klar Papaya-Watermelon oder Pineapple-Strawberry Juice.

Genuss für kleines Geld
Im Vergleich zu Deutschland ist es hier recht günstig, auswärts zu essen. Injera mit Shiro in der Uni Mensa kostet mich ungefähr zwischen 20 und 30 Cent. Die frischen Samosas für 25 ETB (ca. 14 Cent) und die frischen Säfte gibt es je nach Frucht für 80 – 95 Cent. Wenn wir außerhalb der Uni essen, zahlen wir etwas mehr, ungefähr 2 Euro für ein lokales veganes Gericht. Dafür hat man natürlich auch mehr Auswahl. Internationale Küche ist definitiv teurer, beispielsweise 4,50 Euro für ein Gericht in einem mexikanischen Restaurant. Die günstigen Preise führen dazu, dass ich mit meinen Freunden sehr häufig Essen gehe.
Besonders günstig und frisch ist auch das Obst und Gemüse auf den Märkten, vor allem im Vergleich zu zu Hause. Importierte Birnen hingegen kosten 2 Euro pro Stück. Auch Nudeln sind hier im Vergleich relativ teuer und eine beliebte Haselnusscreme kostet hier schnell über 20 Euro, was im Vergleich zu den lokalen Angeboten wie ein Luxusartikel wirkt.
Essen im Auslandssemester: neue Gewohnheiten und Perspektiven
Ein wichtiger Teil meines Auslandssemesters besteht definitiv darin, die lokale Küche kennenzulernen und das bedeutet auch, sich auf ganz neue kulinarische Erfahrungen einzulassen. Da es hier viele Produkte, die ich von zu Hause kenne, nicht gibt, hat sich meine Ernährung hier sehr verändert. Beispielsweise esse ich hier anstatt Brot, Nudeln und Salat, viele Gerichte mit Linsen. Anstatt das Pesto im Supermarkt zu kaufen, koche ich mir hier meine Soßen selbst mit frischem Gemüse vom Markt.
Supermärkte wie in Deutschland gibt es hier kaum, und wenn, dann mit deutlich weniger Auswahl. Schokolade zum Beispiel habe ich bisher leider noch nicht gefunden. Solche Momente lassen mich den Luxus in meinem Alltag in Deutschland ganz besonders reflektieren. Dass Einkaufen hier manchmal Geduld und Flexibilität erfordert, zeigt sich an der Nicht-Beständigkeit von Produkten. Ein gutes Beispiel hierfür ist, dass wir vier Tage hintereinander zu einem Straßenstand gehen mussten, bis es endlich wieder Wasser gab.
Auch gibt es hier manchmal einige Wochen Joghurt mit Erdbeergeschmack, dann wieder für eine Woche mit Banane und an manchen Tagen nur Naturjoghurt. Genau so etwas lässt mich reflektieren, wie komfortabel es zu Hause ist, einfach in den Supermarkt zu gehen und jeden Tag dieselben Produkte kaufen zu können. Dennoch fehlt es mir hier an nichts und auch ohne große Auswahl finde ich, was ich brauche.
Auch vegane oder vegetarische Ernährung ist definitiv möglich, allerdings manchmal etwas knifflig, wenn man beispielsweise die Speisekarte nicht lesen kann. Wir wissen uns aber zu helfen, denn da wir mittlerweile einige verschiedene Gerichte probiert haben, zeigen wir im Restaurant einfach Bilder und bekommen dann meistens auch unser gewünschtes Gericht.
Abschließend kann ich sagen, dass ich mich anfangs an den neuen, intensiven Geschmack der lokalen Gerichte gewöhnen musste, aber mittlerweile genieße ich nicht nur das Essen, sondern auch die damit verbundene Gemeinschaft und besonders, draußen unter Palmen zu essen. All diese kulinarischen Erfahrungen haben definitiv meine Perspektive auf Essen, Komfort und Genuss geprägt.







