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Meine Mission: So bunt ist Portugal wirklich

Zu Beginn meines Auslandspraktikums vor fast fünf Monaten habe ich mir die Mission „Portugal – Vielfalt inklusive!?“ gestellt. Ich wollte während meiner Zeit hier herausfinden, wie es in Portugal um Vielfalt und Diskriminierung steht. Außerdem wollte ich für mich persönlich neue Erfahrungen im Umgang mit Vielfalt im Klassenraum sammeln, da dies für meine spätere Arbeit als Lehrkraft sehr wichtig ist. Denn hinter meinem Unterricht soll immer das Ziel stehen, dass sich alle Schüler*innen in meinem Klassenraum wohl und gesehen fühlen. Jetzt, kurz vor Ende meines Praktikums, ist es Zeit, ein Resümee zu ziehen.

Wenn ich durch die Straßen Portos laufe, dann sehe ich ganz verschiedene Menschen. Auch wenn viele Menschen relativ klein sind und dunkelbraune Haare haben, gibt es dennoch Menschen mit den verschiedensten Körpern, Größen, Hautfarben, Haarfarben und so weiter. Es gibt viele alte Menschen, aber auch viele Kinder und junge Menschen. Zwei Frauen halten selbstverständlich Händchen. Ab und zu sehe ich Menschen mit (sichtbaren) Behinderungen. Zwischen den Einheimischen tummeln sich die Touristen aus der ganzen Welt.

Es ist ganz klar: Die Gesellschaft in Portugal ist bunt. Aber nur weil eine Gesellschaft bunt ist, heißt es nicht, dass alle Menschen die gleichen Chancen und Rechte haben. Diskriminierung ist ein Problem – auch in Portugal. Ich möchte euch von meinen Erfahrungen und Beobachtungen in verschiedenen Diversitätsbereichen berichten.

Eine Straße mit bunten Girlanden.
Die Straßen in Porto sind für ein Fest bunt geschmückt.

Schule und Inklusion

Inklusion ist ein großes Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Es bedeutet, dass allen Menschen von vornherein die uneingeschränkte Teilnahme an allen Aktivitäten ermöglicht wird. Dabei ist es zum Beispiel egal, welche Herkunft, Sexualität oder Behinderung sie haben.

In Deutschland ist dieses Thema insbesondere bezogen auf die Schule und Behinderung heiß diskutiert. Es geht darum, ob es extra Förderschulen geben oder alle Schüler*innen gemeinsam zur Schule gehen sollten. Obwohl Inklusion laut der UN-Behindertenrechtskonvention ein Recht jedes Menschen ist, gehen in Deutschland immer noch viele Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und erhöhtem Förderbedarf getrennt von den anderen Kindern zur Schule.

In Portugal ist das ganz anders. Hier besuchen fast alle Schüler*innen mit Behinderungen die ganz normalen Schulen. Alle Schüler*innen werden hier seit Jahrzehnten gemeinsam unterrichtet und das übrigens über die gesamte Schulzeit. Gerne hätte ich hier mal in eine portugiesische Schule reingeschnuppert.

Da ich mein Praktikum aber an einer deutschen Auslandsschule absolviert habe, bin ich im deutschen Schulsystem geblieben. Zusätzlich ist die Deutsche Schule zu Porto eine Privatschule und daher besuchen die Schule überwiegend Kinder aus privilegierteren Familien. Kinder mit erhöhtem Förderbedarf sind mir hier nur vereinzelt begegnet.

Trotzdem konnte ich einiges für meine spätere Arbeit lernen, denn insbesondere im Bereich Deutsch hatten die Schüler*innen sehr unterschiedliche Niveaus. Die Arbeit im Bereich Deutsch als Zweitsprache ist für mich sehr wichtig und ich kann mir einige Ideen mit nach Deutschland nehmen. Außerdem konnte ich an der Schule auch einiges über interkulturelles Zusammenleben in der Schule lernen – über das, was gut klappt und auch darüber, welche Probleme es geben kann.

Barrierefreiheit im Alltag

Was mir eher negativ aufgefallen ist, ist die Barrierefreiheit im Alltag außerhalb der Schule. Wer versucht, in Portugals Städten mit dem Rollstuhl von A nach B zu kommen, wird hier schnell an seine oder ihre Grenzen stoßen. Steile Straßen mit Kopfsteinpflaster machen das auch mit Hilfe praktisch unmöglich. Hinzu kommen fehlende Leitstreifen für Menschen mit Sehbehinderungen, randvolle Busse und kaum barrierefreie Bürgersteige, Hauseingänge oder Toiletten in der Stadt.

Mehr als beeindruckt bin ich von den vielen alten Portugies*innen, die nicht mehr gut zu Fuß sind, mir aber jeden Tag in der Stadt begegnen und die sich irgendwie zurechtfinden. Fest steht: An der Barrierefreiheit muss Portugal noch arbeiten.

Kolonialgeschichte und Rassismus

In Portugal leben viele Menschen, die aus afrikanischen Ländern stammen. Das liegt an Portugals Kolonialgeschichte, denn heute wohnen viele Menschen aus den ehemaligen Kolonien im Land. Die Kolonialgeschichte hat bis heute Auswirkungen auf die Migration und das Leben der Menschen. Viele Menschen, deren Familien aus den (afrikanischen) Kolonien stammen, leben auch heute in Armut. Eine Sonderrolle nimmt die größte Kolonie Brasilien ein.

Trotzdem ist mir dieses wichtige Thema im Alltag kaum begegnet. Mir scheint es so, als ob die Kolonialgeschichte kaum aufgearbeitet wird. Stattdessen werden die Seefahrer von früher bis heute als Helden gefeiert, egal ob mit Denkmälern oder in Kinderbüchern. Sie sind ein großer Teil der Identität der Portugies*innen. Ich hatte das Gefühl, dass ein kritischer Diskurs über die Themen Rassismus und Diskriminierung in der breiten Gesellschaft gerade erst beginnt. Wenn ihr mehr zu diesem Thema erfahren möchte, empfehle ich euch diesen Artikel.

Religion

Eine weitere Dimension der Vielfalt ist die Religion. Hier konnte ich lernen, dass laut dem portugieschen Zensus 2021 über 80 Prozent der Menschen in Portugal Katholiken sind und 14 Prozent der Menschen keine Religion haben. Religiöse Vielfalt sieht also anders aus und ist kein großes Thema in Portugal. Trotzdem gibt es natürlich auch Menschen mit anderen Religionen. So liegt beispielsweise eine Synagoge direkt neben meiner Praktikumsschule.

LGBTQIA+

Für mich besonders bedeutend ist, dass Portugal eines der sichersten Länder für queere Menschen ist. Die Gesetzeslage ist sehr gut und die LGBTQIA+-Community kann sich hier ganz frei und ohne Angst bewegen. Auf der Straße sehe ich oft sichtbar queere Menschen.

Was mich hingegen überrascht hat: Die Community ist für mich in Porto viel weniger sichtbar, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Das hat auch ein schwuler Freund aus Frankreich so wahrgenommen, mit dem ich mich öfter über dieses Thema ausgetauscht habe. Jetzt im Juni ist Pride Month und in Deutschland sieht man an jeder Ecke Regenbogenflaggen – in Porto Fehlanzeige.

Das liegt vielleicht auch daran, dass Porto insgesamt etwas konservativer als Lissabon ist. Dort gibt es eine große queere Szene. Trotzdem gibt es wohl auch hier in Porto eine bunte Community, allerdings habe ich während meiner Zeit davon leider nicht so viel mitbekommen, wie ich mir vorgenommen hatte.

Die kleinen Dinge zählen (auch)

Portugal ist in einigen Bereichen also wirklich sehr vielfältig und insgesamt schon weit was Inklusion in der Schule betrifft. In anderen Bereichen der Diskriminierung fehlt es aber definitiv noch an Sensibilität und Aufarbeitung der Geschichte.

Für mich als Lehrkraft habe ich auch hier mal wieder gemerkt, wie wichtig es ist, dass ich die Vielfalt der Gesellschaft im Klassenraum so abbilde, wie sie auch wirklich ist. Das schaffe ich mit vielfältigen Büchern, Materialien und einem kritischen Blick. Neben den großen strukturellen Problemen ist das ein kleiner Bereich, wo ich als Lehrkraft direkt etwas verändern und bewegen kann. In der Arbeit mit Kindern zählen eben oft schon die kleinen Dinge und Momente des Alltags.

Ein schöner Moment während des Praktikums war für mich, als der Prinz im Theaterstück auf einmal nach einer Prinzessin oder einem Prinzen suchte. Etwas, das es in meiner Kindheit nie gab und mich in dieser Situation zum Schmunzeln gebracht hat.

Die kleinen, bunten Momente im Alltag machen mir Hoffnung. Trotz der großen Probleme in dieser Welt mit Diskriminierung habe ich Hoffnung, dass es in Portugal, in Deutschland und überall auf der Welt irgendwann für alle Menschen heißt: Vielfalt inklusive. Ich weiß aber auch, dass sich dafür noch viel ändern muss.

Até breve und bis bald

Eure Miri

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