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Hinter den Kulissen in Armenien: Abseits bekannter Pfade Teil 1

Eines meiner Ziele für das Auslandssemester war eine Reise nach Armenien. Glücklicherweise war ich nicht alleine mit meinem Traum Armenien zu besuchen. Zusammen mit zehn Kommilitoninnen und Kommilitonen haben wir uns an die Planung gemacht und tatsächlich hat die Reise es aus dem Gruppenchat geschafft. Armenien ist ein ganz besonderes Fleckchen Erde und trotzdem als Reiseziel noch wenig entdeckt.

Das Land hat eine wunderschöne Natur mit Berglandschaften und Klöstern soweit das Auge reicht. Es gibt nicht viele Touristen, und vielleicht waren die Menschen deshalb sehr gastfreundlich und offen uns gegenüber. Das arme Land liegt im Schnittpunkt großer geopolitischer Interessen. Die Armenier bezeichnen sich selbst als stolz und widerstandsfähig, und das sind sie auch.

Armenien hat eine sehr bewegte Geschichte, die starke kulturelle und nationale Identität ist ein Erbe davon. Die Menschen kennen zu lernen, ihre Geschichten und Traditionen zu erfahren, hat meine Reise vollständig gemacht. Armenien hat all meine Erwartungen übertroffen und rückblickend kann ich sagen, dass es ein unvergessliches Erlebnis war. Weil ich so viel erlebt, so viele Eindrücke gewonnen und so viel gelernt habe, möchte ich meine Erfahrungen in einem zweiteiligen Reisebericht mit euch teilen.

Crashkurs Armenien

In diesem ersten Teil möchte ich mit einem „Crashkurs“ über Armenien beginnen. Der Reisebericht der ersten drei Tage beinhaltet praktische Infos und Tipps. Es wird politisch werden, aber auch emotional, genau wie ich es erlebt habe. Es ist mir wichtig, diese Geschichte aus verschiedenen Perspektiven und Aspekten zu erzählen, denn nur so kann die Komplexität Armeniens verstanden werden. Ich hoffe, dass ich meine Begeisterung für Armenien so weitergeben kann, und der Beitrag bei deiner Reiseplanung behilflich sein wird.

Wo liegt Armenien?

Armenien ist ein Binnenstaat in der Region Südkaukasus in Eurasien. Es grenzt im Norden und Osten an Georgien, im Süden an den Iran, im Westen an die Türkei und im Südwesten an Aserbaidschan. In Armenien leben etwa 2,9 Millionen Menschen, die Hauptstadt ist Jerewan. Die Fläche des Landes beträgt etwa 29.743 Quadratkilometer (ungefähr so groß wie Belgien). Damit ist es eines der kleineren Länder der Region.

Unabhängigkeit und Entwicklungen

Armenien erlangte 1991 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion und ist seitdem eine souveräne Republik mit einem politischen System, das auf einer Präsidialdemokratie basiert. Die politische Landschaft Armeniens hat im Laufe der Jahre verschiedene Entwicklungen durchgemacht. Mit der neuen Verfassung von 2015 hat das Land ein parlamentarisches System eingeführt.

Armenien hat Fortschritte im Bereich der Menschenrechte gemacht, aber Herausforderungen bestehen weiterhin in den Bereichen Pressefreiheit, Justizsystem, Korruption, Frauenrechte und LGBTQ+-Rechte.

Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen setzen sich für die Stärkung der Menschenrechte in Armenien ein. Ein langsamer, aber positiver Trend ist erkennbar.

Sicherheit und Einreisebestimmungen für EU-Bürger in Armenien

Armenien ist im Allgemeinen ein sicheres Reiseland mit einer niedrigen Kriminalitätsrate. Die touristischen Gebiete sind in der Regel sicher und Reisende können sich dort relativ unbehelligt bewegen. Es wird jedoch empfohlen, vor Reisen nach Armenien die aktuellen Nachrichten und Reisehinweise zu beachten, da sich die politische Situation ändern kann.

Bis zu einem Aufenthalt von 180 Tagen ist kein Visum erforderlich, der Reisepass genügt. Die Ausreise auf dem Landweg ist nur nach Georgien und in den Iran möglich. Grenzübertritte zwischen Armenien und Aserbaidschan sowie Armenien und Türkei sind nicht möglich.

Um die Lebensrealität der Menschen in Armenien zu verstehen, muss einiges erklärt und in einen Zusammenhang gebracht werden. Für mich sind vier Dinge von Bedeutung: Völkermord an den Armeniern, die christliche Identität, Berg-Karabach und die internationalen Beziehungen Armeniens.

Der Völkermord an den Armeniern

Der Völkermord an den Armeniern bezeichnet die systematische Verfolgung und Vernichtung der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs. Etwa 1,5 Millionen Armenierinnen und Armenier wurden zwischen 1915 und 1923 ermordet. Die osmanische Regierung begann mit Verhaftungen, Deportationen und Massakern, gefolgt von Gewaltmärschen, bei denen viele an Hunger, Krankheiten und Erschöpfung starben.

Obwohl von vielen Ländern und Historikern als Völkermord anerkannt, leugnet die Türkei offiziell den Völkermord. Dies belastet die armenisch-türkischen Beziehungen erheblich. Hinzu kommt die enge Freundschaft der Türkei zum Erzfeind Aserbaidschan. Die Grenzen zu beiden Ländern sind nach wie vor geschlossen. Der Deutsche Bundestag hat den Völkermord 2016 anerkannt. Der Genozid bleibt ein wichtiges Symbol für die armenische Identität und ist Gegenstand internationaler Debatten und diplomatischer Spannungen.

Auf dem Bild ist das Genozid Denkmal in Jerewan zu sehen.
Das Genozid-Denkmal in Jerewan.

Christentum in Armenien

Armenien gilt als das erste Land, das das Christentum als offizielle Staatsreligion angenommen hat. Dies geschah im Jahr 301 nach Christus. Bis heute ist die armenisch-apostolische Kirche die dominierende christliche Konfession in Armenien. Sie ist unabhängig von anderen christlichen Konfessionen und hat ihre eigene Liturgie, die sich durch ihre Musik, ihre einzigartigen Gebete und die Verwendung der armenischen Sprache auszeichnet.

Armenien ist ein säkularer Staat, das heißt, Religion und Staat sind offiziell getrennt. Die Religion hat einen hohen Stellenwert im öffentlichen Leben und spielt eine zentrale Rolle im religiösen und kulturellen Leben der armenischen Bevölkerung

Die Kriege um Bergkarabach

Der Konflikt um die Region Bergkarabach, auch Nagorno-Karabach (russisch) oder Artsakh (armenisch) genannt, ist ein ethno-territorialer Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Es handelt sich um eine mehrheitlich von ethnischen Armeniern bewohnte Region innerhalb Aserbaidschans.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeitserklärung Armeniens und Aserbaidschans kam es zu Konflikten um die Kontrolle der Region. Dies führte 1992 zu einem Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan, der 1994 mit einem Waffenstillstand und einer gewissen Autonomie für Artsakh endete. Der Krieg forderte zwischen 1992 und 1994 auf beiden Seiten mehrere zehntausend Todesopfer und führte zu massiver Flucht und Vertreibung. In der Folge entstand die de facto unabhängige Republik Bergkarabach, die jedoch international nicht als eigenständiger Staat anerkannt wurde.

Nach Jahren des diplomatischen Stillstands startete Baku im September 2020 eine groß angelegte Militäroffensive zur Rückeroberung der besetzten Gebiete. Ab diesem Zeitpunkt griff Russland mit einer Friedenstruppe in den Konflikt ein und sorgte für „Stabilität“.

Ein Graffiti in Jerewan erinnert an einen gefallenen Soldaten. Viele junge Männer kamen ums leben, er auf dem Bild war 19 Jahre alt.
Ein Graffiti in Jerewan erinnert an einen gefallenen Soldaten.

Im September 2023 startete Aserbaidschan jedoch erneut eine Offensive in der Region. Bereits einen Tag später erklärte Aserbaidschan den militärischen Sieg über Armenien im Bergkarabach-Konflikt. Die Lage der armenischen Bevölkerung in der Region, die unter der Blockade Aserbaidschans gelitten hatte, war zu diesem Zeitpunkt bereits katastrophal. Nach der Offensive setzte eine Massenflucht der armenischen Bevölkerung aus Berg-Karabach nach Armenien ein. Infolge der ethnischen Säuberungen flohen 120.000 Armenier und Armenierinnen.

Internationale Beziehungen: Bröckelt die Liebe zu Russland?

Armenien und Russland sind eng miteinander verbunden. Die Partnerschaft basiert auf historischen und politischen Bindungen, Sicherheitskooperationen, Wirtschaftsbeziehungen und der Präsenz einer großen armenischen Diaspora in Russland. Russland spielt eine strategische Rolle für die Sicherheit Armeniens und ist ein wichtiger Handelspartner. Die Enttäuschung über die russische Passivität in der Bergkarabach-Frage ist jedoch groß. Seitdem zeigt sich ein gewisses Interesse an einer Annäherung an den Westen. Bereits 2017 unterzeichnete Armenien ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union, das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit vorsieht. Die EU ist ein wichtiger Handelspartner und fördert Reformen in Bereichen wie Demokratie, Menschenrechte und Wirtschaft.

Die Beziehungen zwischen Armenien und Georgien sind im Allgemeinen freundschaftlich. Unterschiedliche geopolitische Prioritäten haben jedoch zu Spannungen geführt, insbesondere in Bezug auf Russland und die EU. Im Konflikt um Berg-Karabach versucht Georgien, eine neutrale Position einzunehmen, um die Beziehungen zu beiden Ländern aufrechtzuerhalten.

Tag 1: Anreise nach Jerewan

Unsere Reise nach Armenien begann um 9:00 Uhr in Tbilisi. Von dort aus fuhren wir mit einem Minibus nach Jerewan . Anders als bei der Marschrutka (eine Art von georgischen Minibus) müssen die Fahrkarten im Voraus online gekauft werden. Der Preis lag bei 18 Euro. Die Hauptstadt Armeniens ist zwar nicht weit entfernt, aber die 270 Kilometer lange Fahrt dauert aufgrund der bergigen Landschaft und der schlechten Straßenverhältnisse etwa 6 Stunden. Autofahren in Armenien ist wild, es wird überholt, viel gehupt und schnell gefahren.

Dieses typische Straßenbild in Armenien habe ich aus dem Auto auf dem Weg nach Jerewan fotografiert.
Eine Landstraße in Armenien.

Der Grenzübergang

Die ersten Eindrücke der Gastfreundschaft ließen nicht lange auf sich warten. An der Grenze war ich etwas nervös, da ich erst vor wenigen Tagen von Istanbul nach Tbilisi zurückgekehrt war. Die Kontrolle verlief jedoch reibungslos: „Willkommen in Armenien“, lächelte mich der Grenzbeamte freundlich an und ich durfte passieren. Auf der anderen Seite wartete unser Fahrer und schenkte uns Kaffee ein.

Auf dem Bild sitzen wir Freunde und Freundinnen zusammen im Minibus auf dem Weg nach Jerewan.
Gruppenfoto im Minibus :))

Mit ihm konnten wir uns auf Russisch verständigen. In Armenien war es ein Glück, dass acht Leute aus der Truppe Russisch sprechen konnten. Anders als in Georgien können und haben auch die jungen Leute kein Problem, sich auf Russisch zu unterhalten. Mit Englisch kommt man bei den älteren Generationen kaum weiter. Nachdem wir die Frage „woher wir kommen“ beantwortet hatten, durften wir im Auto auf einer JBl Box die Diskographie von Rammstein akustisch erkunden. Rammstein, Formel-1-Geschwindigkeit durch die nebligen Serpentinen Armeniens – das stand nicht auf meiner Erwartungsliste.

Ein Lada fährt in der armenischen Landschaft. Das Bild habe ich unterwegs nach Jerewan aufgenommen.
Ein Lada fährt in der armenischen Landschaft. Das Bild habe ich unterwegs nach Jerewan aufgenommen.

Kraft und Gas tanken

Eine zweite Pause fand an der Lieblingsraststätte des Fahrers statt. Mir ist aufgefallen, dass die Tankstellen in Armenien fast so etwas wie eine gemeinschaftliche oder soziale Funktion haben. Die Menschen in Armenien sind auf ihr Auto angewiesen. Der Treibstoff ist relativ günstig und sehr viele Fahrzeuge werden mit dem noch günstigeren Gas betrieben. Da das Auffüllen der Gastanks länger dauert als bei Benzin oder Diesel, stehen die Männer oft rauchend und plaudernd etwas abseits der Fahrzeuge. Außerdem gibt es immer die Möglichkeit einzukaufen, Kaffee zu trinken und zu essen.

… und es geht los!

Kurz vor 16 Uhr kamen wir im grauen, nebligen und nassen Jerewan an. Unser Airbnb lag super im Zentrum, im 13. Stock eines Plattenbaus mit Dachterrasse. Obwohl bei unserem Besuch in Armenien das Wetter sehr nebelig war, konnten wir den Berg Ararat einmal von der Unterkunft sehen. Pro Person und Nacht kostete die Übernachtung nur 15 Euro. Viel Zeit hatten wir allerdings nicht, da wir uns für eine „free walking tour“, also eine Stadtführung auf Spendenbasis, angemeldet hatten. Diese Tour kann ich nur empfehlen

Zweiter Tag: Raus aufs Land!

Unterwegs im Taxi mit dem Fahrer der nur russisch konnte.
Unterwegs im Taxi.

Den Morgen haben wir in einem Café begonnen, das uns so gut gefallen hat, dass wir jeden Morgen immer wieder dorthin gekommen sind. Hier haben wir dann die Taxis für den Ausflug organisiert. Leider gibt es Bolt in Armenien nicht und so mussten wir uns für die russische App von Yandex entscheiden. Über die App haben wir immer das erste Ziel eingegeben und gleich nach dem Einsteigen gefragt, ob der Fahrer uns den ganzen Tag für unsere weiteren Ziele begleiten kann. Das läuft dann nicht über die App, sondern „privat“.

Die Fahrer haben sich dann auch immer an die Fahrtkosten gehalten, außer wir haben irgendwo viel länger gebraucht als geplant. Denn hier zählt nicht nur die Entfernung, sondern logischerweise auch die Zeit. Wir mussten uns dann immer auf zwei Autos aufteilen. Mit den Taxifahrern hatten wir sehr viel Glück. Ausnahmslos alle Fahrer waren sehr gesprächig und aufgeschlossen. So haben wir viel über das Leben und die Menschen in Armenien dazugelernt.

Erste Station: Kloster Geghard

Unsere erste Station war der Klosterkomplex von Geghard, der Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist. Der Name „Geghard“ bedeutet “ Speer “ und bezieht sich auf den Speer, mit dem Jesus Christus bei seiner Kreuzigung verwundet worden sein soll und der der Überlieferung nach eine Zeit lang im Kloster aufbewahrt wurde.

Das Kloster Geghard zeichnet sich durch seine einzigartige Architektur aus, da es teilweise in den umliegenden Felsen hineingebaut wurde. Viele der Kapellen und Kirchen des Klosters stammen aus dem Mittelalter. Die Lage des Klosters inmitten einer Schlucht trägt zusätzlich zur mystischen Atmosphäre bei.

Garni-Tempel

Nicht weit vom Kloster entfernt liegt der Garni-Tempel. Der antike griechisch-römische Tempel, der dem Sonnengott Mihr gewidmet ist, wurde im ersten Jahrhundert nach Christus erbaut und ist eines der wenigen erhaltenen hellenistischen Bauwerke in Armenien. Es bietet sich eine Aussicht auf den Fluss Azat, der ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

In der Nähe befindet sich noch der Azat Canyon, den wir trotz Empfehlung aus Zeitgründen nicht besuchen konnten.

Stausee von Azat

Nach zwei Sehenswürdigkeiten wollten wir etwas weniger Touristisches erkunden. Die Fahrt durch eine bergige „Steinwüste“ mit teilweise steilen Serpentinen zum Stausee ist wunderschön. Es klingt vielleicht komisch, aber die Natur, die Felsen und Gräser haben in Armenien einen ganz spezifischen Farbton. Es ist eine Mischung aus grau, rosa und gold. Die Straße, die von der Hauptstraße zum Azat-Stausee führt, ist nicht asphaltiert. Da es nicht geregnet hatte und der Boden trocken war, war es möglich, mit normalen Autos (also keine 4×4 oder Geländewagen) zum Ziel zu kommen. Rund um den Stausee gibt es viele Wanderwege. Wir blieben aber oben auf einem Plateau stehen und haben die Aussicht genossen.

Genau hier oben war auch eine Art „Busfriedhof“ angelegt worden, auf dem ein Dutzend ausrangierte Busse standen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das für die Öffentlichkeit nicht zugänglich war, aber da niemand da war und es auch keinen Zaun gab, haben wir uns erlaubt, ein kleines Photoshooting mit den alten Fahrzeugen zu machen.

Der Berg Ararat und das Kloster Chor Viral

Das einzige mal wo wir den  Berg Ararat für einige Minuten gesehen haben.
Das einzige mal wo wir den Berg Ararat für einige Minuten gesehen haben.

Der biblische Berg Ararat, der heute in der Türkei liegt, ist das Nationalsymbol Armeniens. Der Berg besteht aus zwei Hauptgipfeln: dem Großen Ararat mit einer Höhe von ca. 5.137 Metern und dem Kleinen Ararat mit einer Höhe von ca. 3.896 Metern. Nach der Bibel soll die Arche Noah nach der Sintflut auf dem Berg Ararat gelandet sein.

Der Chor Viral ist ein Kloster in Armenien nahe der türkischen Grenze, etwa 45 Kilometer südlich der Hauptstadt Eriwan. Neben seiner religiösen Bedeutung bietet der Ort (bei klarem Wetter) den besten Blick auf den biblischen Berg Ararat.

Tag 3: In der Volga des Steinbildhauers

Noratus Friedhof

Ich liebe es, Friedhöfe zu besuchen. Ich finde, es sagt viel über ein Land aus, wie die Menschen ihrer Verstorbenen gedenken und wie sie mit Gräbern umgehen. Für viele sind Friedhöfe mehr als nur Orte des Todes – sie sind Orte der Erinnerung, des Friedens und der Verbundenheit.

Noratus ist ein Dorf in Armenien, 90 km von Jerewan entfernt. Der Friedhof erstreckt sich über ein sieben Hektar großes Feld. Er ist bekannt für seinen Friedhof mit Hunderten von mittelalterlichen Kreuzsteinen, den so genannten Khachkars.  Khachkars sind kunstvoll geschnitzte Kreuzsteine, die häufig auf Friedhöfen oder in Kirchen zu finden sind. Sie sind ein wichtiges religiöses und kulturelles Symbol des Christentums in Armenien und stellen oft verschiedene Symbole, Muster und religiöse Motive dar. Der Friedhof beherbergt die größte Ansammlung von Khachkars in Armenien und ist derzeit der größte erhaltene Friedhof mit Khachkars, nachdem die Regierung von Aserbaidschan die Khachkars in Old Julfa, Nachitschewan, zerstört hat. Die ältesten stammen aus dem späten 10.

Neben den rustikalen Grabsteinen gibt es auch einen neueren Teil, der heute aktiv genutzt wird. Im Zentrum steht ein riesiges Kreuzmonument. Dieses ist von Gräbern umgeben. In Armenien ist es üblich, die Gesichter oder den ganzen Körper der Verstorbenen auf dem Grabstein zu markieren. Der Anteil der Grabsteine, auf denen Männer, oft jünger als ich, liegen, ist viel größer als der von Frauen. Das deutet auf die Kriege der letzten 3 Jahre hin. Bei vielen Gräbern stand die armenische Flagge daneben. Das kann ein Zeichen dafür sein, dass die Person im Krieg oder im Dienst für Armenien gestorben ist. Tatsache ist, dass es in Armenien keine Familie gibt, die nicht vom Krieg betroffen ist.

Die Steinbildhauer bei der Arbeit. Mit den Herren haben wir uns bei der Toilettensuche angefreundet.
Die Steinbildhauer bei der Arbeit. Mit den Herren haben wir uns bei der Toilettensuche angefreundet.

Auf dem Friedhof haben wir auch neue Bekanntschaften gemacht. Auf der vergeblichen Suche nach einer Toilette stießen wir auf ein kleines Häuschen. Die dort arbeitenden Steinbildhauer sprachen uns an und kamen mit uns ins Gespräch. Sie zeigten uns die Werkstatt und erzählten uns, dass es 4 Monate dauert, einen Kachkar zu schnitzen. Mein Auge fiel aber auf etwas ganz anderes, nämlich auf den alten Volga Pickup der Arbeiter. Ich durfte mich sogar ins Auto setzen und mir alles genau ansehen. Das war so schön, ich habe mich wie ein Kind gefühlt.

Sevan See und Sevanavank-Kirche

Der Sevan-See liegt im Osten Armeniens, 65 Kilometer oder etwa eine Autostunde von Jerewan entfernt. Er ist der größte Süßwassersee der Kaukasusregion und einer der größten alpinen Seen Eurasiens. Der vulkanische See bedeckt eine Fläche von 1.360 Quadratkilometern und ist vollständig von schneebedeckten Gipfeln umgeben. Die durchschnittliche Tiefe des Sees beträgt 27 Meter. Die tiefste Stelle ist 81 Meter tief. Der Sewan liegt auf einem Hochplateau in einer Höhe von 2.000 Metern über dem Meeresspiegel. Dadurch ist es hier deutlich kühler.

Die Kirche von Sewanawank liegt auf einer Halbinsel und auf dem Friedhof der Kirche sind schöne Khachkar-Steine verstreut. Im Inneren der Kirche befindet sich eine seltene Steinmetzarbeit, die das Gesicht von Jesus Christus darstellt. Jesus hat mandelförmige Augen – eine Taktik, um die mongolischen Invasoren davon abzuhalten, die Kirche zu zerstören.

Geräucherter Fisch und Flusskrebse gelten als lokale Delikatessen, die wir leider nicht probieren konten.

Schriftstellerhaus Sevan: Armeniens legendäres Sowjet-Hotel

Schriftstellerhaus Sevan: Armeniens legendäres Sowjet-Hotel steht vor dem Sevan See. Ich muss nochmal hierhin zurück.
Schriftstellerhaus Sevan: Armeniens legendäres Sowjet-Hotel steht vor dem Sevan See. Ich muss nochmal hierhin zurück.

Ich habe schon einmal ein Hotel aus der Sowjetzeit besucht, allerdings in der legendären Sanatoriumsstadt Tskaltubo. Auch das ist kein gewöhnliches Hotel: Einst stiegen einige der berühmtesten Schriftsteller, Dichter und Übersetzer der UdSSR die verglasten Treppen hinauf und faulenzten auf der geschwungenen Betonterrasse. Auch Künstler und Intellektuelle aus dem Ausland, allen voran Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, übernachteten hier.

Die Anlage die sich in der unmittelbaren Nähe zu Sevanavank Kirche befindet, besteht aus zwei Teilen: Die ältere Residenz, ein vierstöckiges konstruktivistisches Gebäude, wurde 1932 von Gevorg Kochar und Mikael Mazmanyan entworfen. Das modernistische Gebäude, das in Richtung Küste ragt und von vielen – mich eingeschlossen – für das Hotel gehalten wird, war und ist ein Café. Es wurde 1963 unter dem Namen „The Lounge“ angebaut und vom selben Architektenduo entworfen.

Das ikonische Kaffee am Schriftstellerhaus. Leider geschlossen, trotzdem imponant.
Das ikonische Kaffee am Schriftstellerhaus. Leider geschlossen, trotzdem imponant.

Leider ist das Café im Winter geschlossen.

Zwischenstopp im wenig besuchten Kloster Hayravank

Etwa zur gleichen Zeit (zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert) wurde das ebenfalls am Sewansee gelegene, aber weniger besuchte Kloster Hayravank erbaut, das aus einer Hauptkirche und einer Kapelle besteht.

Während unseres kurzen Zwischenstopps auf dem Heimweg fand in der Kirche gerade eine Hochzeit statt, so dass wir nicht hineingehen wollten. Die Aussicht auf den See war mehr als ausreichend.

Was erwartet euch im zweiten Teil der Armenienreise?

Neugierig auf mehr? Im zweiten Teil liegt der Schwerpunkt auf Jerewan und ich kann euch jetzt schon verraten: Die Stadt einiges zu bieten. Ich werde versuchen, die besten Tipps für einen umfangreichen Städtetrip zusammenzustellen, inklusive Restaurant-, Bar- und Clubempfehlungen. Natürlich dürfen auch Kultur und Museen nicht fehlen. Ein weiteres Highlight der Reise kam schließlich ganz zum Schluss, die Nachtzugfahrt von Jerewan zurück nach Tbilisi. Und warum hat Kanye West ein kostenloses Konzert in einem Springbrunnen improvisiert? Das alles erfahrt ihr im nächsten Blogbeitrag. Also bleibt dran, es gibt noch viel zu entdecken!

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