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Routine trifft Realität Halbzeitbilanz meines Auslandssemesters

Mehr als die Hälfte meines zweiten Mastersemesters in Burkina Faso ist vorbei – und mit ihr ist auch eine neue Form des Alltags eingekehrt. Routinen, kleine Konflikte im Zusammenleben und das stetige Bemühen sich im Universitätsalltag zu orientieren, prägen meine Zeit hier in Ouagadougou.

Routinen haben sich mittlerweile etabliert, der Studienalltag nimmt Fahrt auf und gleichzeitig bringt das Leben hier ganz eigene Herausforderungen mit sich. In diesem Beitrag nehme ich euch mit in meinen Alltag in Ouagadougou – zwischen WG-Leben und dem Versuch, Anschluss zu finden, zwischen Distanz und Alleine-Zeit, zwischen Diskomfort und Zuhausegefühl. Ich erzähle von Einsamkeit, kleinen Lichtblicken und meinem Versuch, sich auch in der Fremde ein Stück Zuhause zu schaffen.

Gemeinsam unter einem Dach

Das Wohnen in einer internationalen Wohngemeinschaft bringt viele bereichernde Momente, aber auch teils Herausforderungen mit sich. Besonders, wenn auf engem Raum viele unterschiedliche Persönlichkeiten zusammenkommen. Themen wie Aufgabenverteilung beim Kochen, Putzen oder Wäschewaschen führten die letzten Wochen zu kleineren Spannungen – aber auch zu wichtigen Gesprächen, bei denen wir gelernt haben, Rücksicht zu nehmen und gemeinsam an tragbaren Lösungen zu arbeiten.

Da wir nicht nur zusammen wohnen, sondern auch unseren Studienalltag fast ausschließlich unter uns verbringen, war es nur eine Frage der Zeit, bis erste Konflikte auftauchen würden. In einem Umfeld, das aufgrund der Sicherheitslage ohnehin stark auf gemeinsames Unterwegssein ausgelegt ist, verschwimmen die Grenzen zwischen Alltag, Studium und Freizeit schnell – was auf Dauer auch das Bedürfnis nach Rückzug, Freiheit und Privatsphäre herausfordert.

Gerade weil wir so eng miteinander leben, wünsche ich mir, dass wir uns nicht nur als Zweck-WG begegnen, sondern auch versuchen, echte Freundschaften entstehen zu lassen. Leider habe ich manchmal das Gefühl, dass nicht alle diesen Wunsch teilen oder die gemeinsame Zeit stärker als pragmatisches Miteinander denn als verbindendes Erlebnis sehen. Was für mich jedoch bleibt – und woran ich festhalte – ist die Vorstellung, dass wir uns inmitten all der Fremde, Unsicherheiten und Herausforderungen gegenseitig ein kleines Zuhause schaffen können.

Ein Gefühl von Distanz – Studieren in der Blase

Unser Studienalltag hier ist intensiv und spannend – doch gleichzeitig spüren wir alle, dass es schwierig ist, wirklich Anschluss zu finden. Die Lehrveranstaltungen besuchen wir ausschließlich unter uns sechs Erasmus-Mundus-Studierenden. Das Konzept unseres Programms ist stark auf uns zugeschnitten, was zwar eine sehr spezifische und tiefe Auseinandersetzung mit den Inhalten erlaubt, aber eben auch dazu führt, dass wir kaum mit anderen Studierenden in Kontakt kommen.

Begegnungen mit lokalen Studierenden ergeben sich, wenn überhaupt, eher zufällig oder auf unsere Initiative – im Flur, im Seminarraum oder auf dem Campus. Doch oft bleiben diese Gespräche oberflächlich. Manchmal scheint es, als ob wir auch durch unser Auftreten als Gruppe und dadurch, dass wir teilweise europäische Studierende sind, wie ein geschlossenes System wirken, das schwer zugänglich und unnahbar ist.

In manchen Momenten fühle ich mich isoliert vom studentischen Leben vor Ort – und auch ein Stück weit von der Gesellschaft. Zwar begegnen mir auch immer wieder Menschen mit Offenheit und Freundlichkeit, doch tiefere Kontakte gestalten sich trotz mehrerer Versuche schwierig. Die Sicherheitslage sowie das politische Klima, das unter anderem stark auf Ablehnung Frankreichs, Europas und des „Westens“ basiert erschweren zusätzlich das Gefühl von Orientierung und Vertrauen im Alltag.

Trotzdem: Es gibt immer mal wieder Lichtblicke. Eine Studentin, deren Nummer ich über eine Bekannte bekommen habe, hat Interesse sich mit mir zu treffen. Es sind zwar sehr kleine Schritte – aber immerhin Schritte! 🙂

Zeit für mich – und für das, was sonst zu kurz kommt

In meinem Auslandssemester eröffnet sich für mich ein Raum, den ich so vorher selten erlebt habe: ein Raum und Zeit für Selbstreflexion, für innere Prozesse, die im allgemeinen Trubel meines gewohnten Alltags oft keinen Platz finden. Da unser Stundenplan überschaubar ist und der Austausch mit lokalen Studierenden nur punktuell stattfindet, verbringe ich viel Zeit Zuhause und suche dort dann auch aktiv Rückzug und Zeit mit mir selbst (meistens auf unserer Terrasse über dem Haus). Anfangs war das in diesem Umfang etwas ungewohnt und manchmal auch herausfordernd – gerade in einem Auslandssemester, von dem man oft erwartet, dass es vollgepackt ist mit neuen Kontakten, Abenteuern, Reisen und Erlebnissen.

Doch ich beginne die Zeit mit mir selbst und für Reflexion zunehmend als wertvoll zu begreifen. Ich lese viel, nehme an Online-Kursen zu interessanten Themen teil, reflektiere meine Studieninhalte noch einmal auf einer tieferen Ebene – und vor allem: ich chille auch einfach viel mehr und komme dadurch richtig zur Ruhe. Gleichzeitig pflege ich intensivere Kontakte nach Hause als je zuvor. Lange Telefonate mit Freund*innen, regelmäßiger Austausch mit meiner Familie – diese Gespräche geben mir Halt und lassen mich spüren, dass Verbundenheit nicht zwangsläufig an physische Nähe gebunden ist.

Ich lerne, dass Rückzug kein Scheitern bedeutet, sondern eine Form von Selbstfürsorge sein kann. Gerade in einem fremden Land, mit all seinen Herausforderungen, kann es sehr helfen, sich trotz aller Umstände einen geschützten Raum zu schaffen – innerlich wie äußerlich. Vielleicht ist genau das eine der unerwarteten Lektionen meines Semesters: dass das Ankommen manchmal nicht im Außen, sondern im Innen beginnt.

Vertrautes vermissen, Fremdes verstehen

Noch sieben Wochen bleiben mir hier. Und auch wenn es objektiv nicht mehr lange ist, fühlt es sich manchmal anders an. Ich merke, wie stark das Heimweh wird – nach meinen Liebsten, nach vertrauten Orten, nach dem Gefühl von Sicherheit und Komfort. Selbst einfache Dinge und Hobbys, wie das Spielen von Padel vermisse ich. Zwar gibt es hier einen Platz, aber das Spielen dort ist extrem teuer – und Gleichgesinnte zu finden, die sich das leisten können, ist fast unmöglich.

Trotz der Herausforderungen sehe ich sie als Chance, persönlich zu wachsen und mich weiterzuentwickeln. Burkina Faso bleibt ein intensiver Lernort – akademisch wie persönlich. Ich weiß nicht, ob sich in den kommenden Wochen noch große Veränderungen ergeben werden, aber ich lerne, dass auch das Aushalten von Ungewissheit und Diskomfort sowie die kleinen Schritte, Teil dieser Erfahrung sind.

Begleitet mich weiter auf meinem Weg durch mein zweites Semester in Ouagadougou – zwischen Studieninhalten, Selbstreflektion und einer ganz eigenen Art des Ankommens!

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